0320 - Heißes Pflaster Chicago
berichtet hat. Das Armband war natürlich sichergestellt worden, aber über der Aufregung wegen Phils Verschwinden hatte man noch niemand zu der angegebenen Adresse des Mädchens, das es verkauft hatte, geschickt.
Ich erbot mich, das zu erledigen. Die Frau hieß angeblich Thelma Pierson und wohnte in der Westleland Avenue 1010.
Ich war vollkommen verblüfft, als ich auf meine Frage vom Hausverwalter erfuhr, dass eine junge Dame dieses Namens bereits seit mehr als einem Jahr ein Appartement im dritten Stock bewohnte.
»Fahren Sie ruhig hinauf. Miss Pierson ist gerade vor zehn Minuten aus dem Geschäft gekommen.«
»Wo arbeitet sie denn?«, fragte ich.
»In irgendeiner Fabrik. Ich kenne den Namen nicht. Ich glaube, sie ist Stenotypistin oder Buchhalterin.«
Als ich an dem Appartement klingelte, öffnete mir eine nette, gut aussehende junge Frau.
Sie lächelte etwas verlegen, als sie mich nach meinen Wünschen fragte.
»Das setze ich Ihnen auseinander, wenn Sie mich eingelassen haben«, meinte ich. »Ich verhandele nicht gern zwischen Tür und Angel.«
Dabei zeigte ich ihr meinen Ausweis.
»Oh!«, sagte sie nur und ließ mich eintreten.
»Nehmen Sie Platz, Mister Cotton, und sagen Sie mir, was ich für Sie tun kann.«
»Wussten Sie, dass dieses Armband gestohlen war?«, frage ich und legte das Schmuckstück auf den Tisch.
»Wurde es tatsächlich gestohlen? Das ist unglaublich. Ich bekam es geschenkt.«
»Und wer schenkte es Ihnen?«
»Ein Mann, den ich in einem Nachtclub in der Randolph Street kennenlernte und den ich dann noch ein paar Mal traf. Er sah aber durchaus nicht aus wie ein Dieb. Er benahm sich wie ein vollkommener Gentleman.«
»Wie heißt der Mann?«
»Nick Gordon.«
Jetzt wäre ich vor Überraschung fast vom Stuhl gefallen. Ich kannte den Namen Nick Gordon.
Der Bursche war ein Ex-Sträfling, ein Verbrecher, der seine Zeit abgesessen hatte. Ich erinnerte mich im Augenblick nicht mehr, warum er im Zuchthaus gesessen hatte, aber die Tatsache, dass er ein Gangster war, stand fest.
Ich fragte weiter und erfuhr, dass Gordon ihr das Armband bei der dritten oder vierten Verabredung mitgebracht hatte. Dann hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Sie hielt das Ding für eine gut gemachte Imitation, aber eine ihrer Freundinnen behauptete, sie verstehe etwas davon, es sei echt.
Also brachte sie es zu dem Leihhaus. Als der Pfandleiher ihr dreitausend Dollar dafür bot, war sie sofort einverstanden.
»Was sollte ich mit diesem auffälligen Ding tun? Eines Tages hätte ich es vielleicht verloren. Ich nahm also die dreitausend Dollar und brachte sie zur Sparkasse. Muss ich die jetzt wieder hergeben?«
»Das kommt darauf an, wie sich die Angelegenheit entwickelt. Das Armband ist ein Vielfaches dieses Betrages wert. Möglicherweise ist die Eigentümerin bereit, Ihnen den Betrag als Belohnung zu geben.«
Gordon hatte angegeben, er wohne im Blackstone, was selbstverständlich gelogen war. Er hatte damit nur angeben wollen.
Ich riet dem Mädchen, in nächster Zeit keine Nachtclubs zu besuchen und uns sofort zu benachrichtigen, falls sich der Kerl melden sollte.
Ich dachte dabei an Daisy Quentin.
»Kam dieser Gordon auch zu Ihnen nach Hause?«, fragte ich.
»Nein«, sagte sie entrüstet. »Ich empfange aus Prinzip keine Männer in meiner Wohnung. Man kann heute nicht vorsichtig genug sein.«
»Da haben Sie vollkommen recht. Wenn der Bursche Sie anruft, und sich mit Ihnen verabreden will, so gehen Sie darauf ein, aber bleiben Sie zu Hause. Wir werden ihn am Rendezvousplatz in Empfang nehmen.«
***
Da es anzunehmen war, dass die Mitglieder der Gang auch andere Frauen mit den geraubten Schmuckstücken beschenkt hatten, ordnete Danger für den gleichen Abend eine Streife durch die Nachtclubs im Theaterviertel und in Chinatown an.
Zugleich wurde eine Großfahndung nach Nick Gordon angekurbelt, die vorläufig kein Resultat brachte. In der der Stadtpolizei bekannten Wohnung war er nicht mehr. Er war bereits vor zwei Monaten ausgezogen. Auch in seinem früheren Stammlokal hatte man ihn nicht mehr gesehen. Es war klar, dass es sehr schwer sein würde, diesen Gordon aufzustöbern.
Genau wie Thelma Pierson es ausgedrückt hatte, machte er den Eindruck eines Gentleman und konnte sich auch so benehmen, wenn er wollte.
Die Überwachung von Majorie Vans ging weiter, ohne dass man bisher etwas anderes herausbekommen hatte, als dass sie ein leichtfertiges Frauenzimmer war.
In dem Schuppen waren keine Fingerabdrücke
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