0321 - Freitag - Mordtag
seinen Plan. Es wurde Geld weggeschafft, das konnte er erkennen, und er sah auch das Heck des Transportwagens, dessen hintere Ladetüren weit offen waren.
Eigentlich die Gelegenheit.
Boysen tat so, als wollte er an der Einfahrt vorbeigehen und drehte sich erst im letzten Augenblick, als auch das Interesse der Wärter an seiner Person erloschen war. Er hatte den Dolch bei dieser Drehbewegung aus der Scheide gezogen, hielt ihn in der rechten Hand und dabei so dicht an seinen Oberschenkel gepreßt, daß es den zwei Wärtern nicht auffallen konnte.
Wie erwähnt, die Aufpasser hatten den einzelnen Mann schon vergessen und wurden erst wieder aufmerksam, als er die Hälfte der Einfahrt hinter sich gelassen hatte. Zudem hielt er sich dicht an der Mauer, und es fielen einige Strahlen der schon tiefer stehenden Sonne von vorn in die Einfahrt.
Insgesamt ungünstige Verhältnisse für die beiden Wachtposten.
Zu spät wurden sie aktiv.
Ein lautes »Stop!« hallte Boysen entgegen. Der Sprecher hatte auch seine Hand auf den Revolverkolben gelegt.
Frank ging weiter. Damit hatten die Wächter nicht gerechnet. Bis sie reagierten, hatte er sie schon erreicht und blieb vor ihnen stehen.
Er schaute zu ihnen hoch.
Der linke Aufpasser holte Luft. In seinen Augen blitzte die nackte Wut. Er ärgerte sich darüber, daß man ihn verladen hatte und wollte den Mann vor ihm anfauchen, als Boysen die Aktivitäten übernahm.
Er stieß zu.
Dabei kantete er die Waffe mit der pechschwarzen Klinge nur hoch und drückte sie nach vorn.
Sie glitt durch Stoff, Fleisch und Muskeln, während der Wächter den Mund aufriß, jedoch nicht dazu kam, einen Schrei auszustoßen.
Bevor sein Partner begriff, was geschehen war und den Revolver ziehen konnte, hatte ihn der zweite Stich erwischt.
Der Mann kippte nach vorn. Boysen trat zur Seite. Er wollte nicht umgerannt werden.
Wenige Schritte hinter ihm fiel der zweite Aufpasser auf den Bauch und blieb liegen.
Der erste war gegen die Wand getaumelt. Mit dem Rücken hatte er sich dagegen gepreßt, die Hände drückte er auf die Wunde im Leib, während das Blut aus seinem Gesicht gewichen war und er die Augen weit aufgerissen hatte.
Allmählich sackte er in die Knie. Dabei verfärbte sich die Haut. Sie wurde grau und bekam einen schwarzen öligen Glanz. Ohne einen Laut ausgestoßen zu haben, fiel der Mann auf die Seite und blieb in einer verkrümmten Haltung liegen, während sein Kollege sich ebenfalls nicht mehr rührte. Aus seiner Uniform drangen Dampfschwaden. Es hatte den Anschein, als würde der Körper innerlich verbrennen!
Frank Boysen nickte zufrieden. Er schaute auf den Dolch. Für ihn war es eine Wunderklinge, und ein knappes Lächeln faserte um seine Lippen. Danach ging er weiter.
Er ließ die beiden Männer in der Einfahrt liegen. Auch über dem Körper des zweiten lag mittlerweile eine Rauchwolke, die allmählich vom trägen Wind zerfasert wurde.
Die Türen des Geldtransporters waren noch nicht geschlossen.
Frank Boysen hörte Stimmen, sah die Männer jedoch nicht. Wahrscheinlich befanden sie sich noch innerhalb des Bankgebäudes, dessen Rückseite er sehr bald sehen konnte.
Eine hohe Fassade mit zahlreichen Fenstern und geschwungenen Eisengittern davor.
Die Hintertür stand offen. Ein breites Portal. Frei war der Blick in den ebenso breiten Flur. Neben dem Eingang stand ein schnittiger schwarzer Alfa Romeo mit offener Fahrertür. Zudem steckte der Zündschlüssel.
Frank wußte nicht, wem der Wagen gehörte, möglicherweise dem Mann, den er am unteren Ende der in den Keller führenden Treppe sah.
Ein Managertyp mit hellem Anzug und blauem Seidenhemd. Die schmale Krawatte sah aus wie ein weißer Strich.
Der Mann begleitete zwei Männer, die eine Geldkassette trugen.
Sie besaß an zwei Seiten Griffe.
Frank Boysen lächelte wieder. Genau diese Kassette wollte er haben, und er würde sie bekommen.
»Beeilen Sie sich!« rief der gut Gekleidete. »Wir sind sowieso schon zu spät. Außerdem müssen wir noch bei einer anderen Bank…« Er verstummte, denn sein Blick war die Treppe hochgefallen und damit auch auf den vor der letzten Stufe stehenden Frank Boysen.
»Was tun Sie hier?« Der Knabe hatte sofort erkannt, daß Boysen nicht zur Bank gehörte.
»Ich will das Geld!«
Diese einfach gesprochenen Worte erzeugten bei dem modisch Gekleideten ein Lachen.
Zwei Sekunden später blieb ihm das Lachen im Hals stecken, denn da spürte er den brennenden Schmerz, der ihn fast zu zerreißen
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