0322 - Ein Hai zeigt die Zähne
sollte ich für Mr. Reginald das Haus führen.«
Ich machte mir Notizen und überließ Phil das Verhör.
»Wie ging es weiter? Ich meine, zwischen Mr. Spencer und dem jungen Daniel?«
»Er sollte eigentlich nach dem College-Abschluss ins Werk eintreten, aber dazu verspürte er wenig Lust. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, wie Mr. Carey einmal Arzt zu werden. Mr. Spencers Nachbar in New Haven war der Chirurg Horace Carey. Die beiden Gentlemen waren eng befreundet. Doktor Horaces Sohn Robert war im gleichen Alter wie Daniel. Die Kinder spielten immer zusammen und wurden Freunde. Schon zu Lebzeiten Horace Careys errichtete sein Sohn mithilfe seines Vaters in New York eine Nervenklinik. Er hatte, wie Daniel, an der Harvard Universität studiert. Daniel hielt es allerdings nur drei Semester aus, dann begann er sich für Kunstgeschichte zu interessieren. Doch auch das währte nicht lange. Als Horace Carey starb, übersiedelte Robert Carey nach New York. Inzwischen war auch Reginald Spencer gestorben. Da Mr. Daniel in der Nähe seines Freundes Robert Carey bleiben wollte, bat er seinen Onkel, hierher zu übersiedeln. Mr. Spencer kam seinem Wunsch nach und verkaufte das Haus in New Haven.«
Ich sah interessiert auf. »Dann muss er doch viel für Daniel übrig gehabt haben?«
Sie lächelte. »Natürlich! Er war doch der Sohn seiner einzigen Schwester, an der er mit abgöttischer Liebe gehangen hat. Es war eine Enttäuschung für ihn, als Daniel auch das Studium der Kunstgeschichte abbrach. Damals ließ er sich aber noch nichts anmerken.«
»Die Reibereien nahmen erst in New York zu?«, fragte Phil.
Caroline Watson seufzte. »Mr. Daniel lebte auf großem Fuß. Immer brauchte er Geld. Entweder verspielte er es beim Pferderennen oder in Spielclubs. Außerdem war er Stammgast in Bars und Nachtlokalen.«
»Das verstimmte natürlich Mr. Spencer?«
»Ja. Er wies immer wieder auf Willärd, Clark und Dennis hin, die es alle drei zu etwas gebracht hatten. Doch auf diesem Ohr war Daniel taub. Auch Robert Carey konnte ihn nicht von seinem Lebenswandel abbringen. Früher trafen sich die Freunde jede Woche einmal zu einer Schachpartie. Sie waren leidenschaftliche Schachspieler, müssen Sie wissen. Doch das ließ mit der Zeit nach. Zum einen war wohl Mr. Careys Arbeit daran schuld, zum anderen Daniels Lebenswandel. Sie hatten einfach keine Zeit mehr füreinander.«
»Schön, Miss Watson«, unterbrach Phil ihren Redestrom; »Uns interessiert nun die Entwicklung der Zwistigkeiten zwischen Harrison Spencer und seinem Neffen Daniel. Was wissen Sie darüber?«
Sie berichtete nun über Duponts Anleihe über 15 000 Dollar, die er in ein Werbeatelier stecken wollte.
»Mr. Spencer freute sich über Daniels Initiative und gab ihm das Geld. Aber die Enttäuschung folgte auf dem Fuße. Daniel war mit einem Mal wie vom Erdboden verschwunden. Das war vor ungefähr drei Jahren. Ein Jahr lang hörten wir überhaupt nichts von ihm. Dann kam plötzlich ein Telegramm aus London. Er saß dort fest, ohne einen Cent in der Tasche. Mr. Spencer schickte ihm sofort das nötige Reisegeld, damit er in die Staaten zurückkehren konnte. Doch Daniel kam nicht. Stattdessen schickte er am laufenden Band Bettelbriefe. Etwa vor einem Jahr überwies ihm Mr. Spencer das Reisegeld noch einmal und teilte ihm gleichzeitig mit, wenn er jetzt nicht käme, gäbe es keinen Cent mehr. Da endlich kam Mr. Daniel zurück.«
»Nahm ihn Mr. Spencer wieder in sein Haus auf?«
Caroline schüttelte den Kopf. »Er bot es ihm zwar an, aber Daniel zog es vor, in ein Hotel zu ziehen.«
»In das Hotel Drummond in dem er heute noch wohnt?«
»Ja. Er führte sein bisheriges Leben weiter. Mit Robert Carey verkehrte er nun überhaupt nicht mehr. Er machte Schulden über Schulden, die immer wieder von Mr. Spencer beglichen wurden. Aber am Tage seines Todes war es ihm wohlzu viel geworden.«
Ich fuhr hoch. »Was sagen Sie da? Am Tage seines Todes? Wie sollen wir das verstehen?«
Sie trocknete ihre Tränen ab und sah mich an.
»Nach dem Mittagessen war Mr. Daniel gekommen. Er ging zu Mr. Spencer ins Arbeitszimmer. Als ich die Mittagszeitungen hineinbrachte, unterhielten sie sich noch ganz ruhig. Später wurde es dann lauter und lauter. Sie stritten sich, aber ich konnte nicht verstehen, worum es ging. Wahrscheinlich wieder einmal um Geld. Gegen 15 Uhr kam das Telegramm aus Kingston in dem ich gebeten wurde, nach meiner Schwester zu sehen. Ich ging zum Arbeitszimmer und hörte sie
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