0323 - Gefangen am Todesfelsen
erkannte ich, was geschehen war.
Es gab das Fratzengesicht nicht mehr in der Größe. Vielleicht noch ein Fußball, mehr nicht, aber der war auch zu treffen und ich hob den rechten Arm.
Aus meiner Faust schaute die schwarze Dolchklinge. Wenn ich jetzt nicht traf, hatte ich unter Umständen den Boden im Kampf gegen den Dämon unter meinen Fußen verloren.
»In meiner Gegenwart wirst du nicht töten. Ich bin ein Gegner der reinen Gewalt, deshalb kann ich es nicht zulassen, daß du ihn vernichtest!«
Da war wieder die Stimme, die meine Aktion stoppte. Unwillkürlich drehte ich mich, suchte nach dem Sprecher, sah ihn nicht, wollte dennoch gegen die Worte aufbegehren, als ich erkannte, daß es zu spät war.
Es gab das Fratzengesicht nicht mehr. Nur noch einen dünnen Nebelhauch, der dabei war, sich zu verflüchtigen.
Vor mir lag der leere Gang mit einer offenen Tür.
Wie ein Schlafwandler ging ich auf die zu. Nach einigen Schritten hatte sich mein Blickwinkel verbessert. Ich schaute in den Raum und sah dort einen Chinesen.
Er starrte mich an wie einen Geist.
Ich schüttelte den Kopf, wollte ihn ansprechen, als ich in sein Gesicht blickte.
Es war eine Maske. Eingefroren schienen die Züge zu sein, der Mann begriff überhaupt nichts.
Dann sah ich seine Hand!
Ein schwarzer Klumpen, mehr nicht. Zuerst dachte ich, daß seine Finger fehlten, bis der Mann die Hand bewegte. Er hatte sie zuvor als Faust geschlossen gehabt.
Nein, sie war normal. Nur eben verändert. Plötzlich fiel mir ein, wo ich den Chinesen schon einmal gesehen hatte. Das war auf der Fahrt gewesen. Er hatte sich zwischen Suko, Shao und Susan Perth gedrängt und mir praktisch den Platz weggenommen.
So sahen wir uns wieder.
Und so sah ich auch die drei anderen.
Bewegungslos am Boden liegend. Wie tot. Ich schaute auf sie und konnte nicht erkennen, daß sie überhaupt atmeten.
Wie eine Marionette ging ich auf den dicken Chinesen zu. In meinem Magen hatte sich ein Klumpen gebildet, ich spürte die kalte Wut, den Zorn in mir, und selbst mein Blickwinkel veränderte sich.
Der Mann vor mir schien plötzlich zu schwanken, so stark wurde ich von meinen Gefühlen überschwemmt.
»Was hast du mit ihnen gemacht?« fuhr ich ihn mit einer Stimme an, die mir selbst fremd vorkam. »Was hast du mit ihnen gemacht? Gib Antwort, du Hund!«
Ich fühlte mich selbst nicht wohl in meiner Haut, als ich so redete.
Das war ich nicht gewohnt, doch der Anblick der drei mir so gut bekannten Menschen hatte mich ein wenig aus der Bahn geworfen.
Sicherlich war der dicke Chinese ein kaltblütiger, abgefeimter Bursche, in diesen Augenblicken überkam ihn eine große Angst. Er wußte, daß ihm sein Herr und Meister nicht mehr helfen konnte. Ich stand jetzt gegen ihn und war sein Feind.
Er hob beide Arme. Sehr deutlich zeigte er mir die verbrannte rechte Hand. Er hatte seine Strafe bekommen und etwas berührt, das ihm nicht gehörte. Ich sah den Stab neben Suko liegen.
Die Wand hielt ihn schließlich auf. Er drehte sich noch, als er mit dem Rücken dagegenstieß. Man hätte meinen können, er wollte in das Mauerwerk hineinkriechen.
»Sind sie tot?« fragte ich.
Er stierte mich an. Die Augen wollten ihm fast aus den Höhlen quellen.
»Rede, du verstehst mich doch. Das habe ich während der Fahrt bemerkt, Mister! Also, öffne dein Maul.« Zur Unterstreichung meiner Worte hob ich die Beretta und brachte das Mündungsloch dicht vor die Stirn des Chinesen.
»Nicht tot!« gab er flüsternd zurück. »Sie sind nicht tot.« Jedes seiner Worte begleitete er mit einem anderen Gesichtsausdruck, wobei eines immer blieb – die Angst.
»Sie leben noch?«
Er nickte.
Obwohl ich mich von seiner Behauptung noch nicht überzeugt hatte, fiel mir ein mittelschwerer Stein vom Herzen. »Wer hat dafür gesorgt, daß sie so liegen? Du?«
»Ja.«
»Und wie?«
»Ein… ein Gift. Ich schoß in der Bahn kleine Pfeile ab. Da warst du schon Weg.«
Jetzt wußte ich Bescheid. Wir waren tatsächlich in eine raffiniert aufgebaute Falle gelaufen. Damit hätte keiner rechnen können. Ich schaute ihm direkt ins Gesicht. »Wie heißt du?«
»Piau-Tu.«
»Und du dienst dem Fratzengesicht?«
Er wollte mir keine Antwort geben und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. Auch das reichte mir. Ich hatte es also mit einem Diener des Dämons zu tun. Wahrscheinlich war es ein Diener, der ziemlich gut Bescheid wußte und in der Hierarchie weit oben stand, sonst hätte man ihm nicht die Aufgabe überlassen,
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