0324 - Die Geliebte des Dämons
ihn…«
Das war Shao, die die Worte gesprochen hatte. Sie kamen mir deplaziertvor. Auch konnte sie nicht Suko gemeint haben, sonst hätte sie ihn direkt angesprochen.
Wen meinte sie?
Sukos Antwort verstand ich nicht, weil er zu leise gesprochen hatte.
Wenn nur die verdammten Schmerzen nicht gewesen wären, das Brausen und Tosen in meinem Kopf, das dumpfe Gefühl, der Nebel vor meiner Stirn, alles wäre halb so schlimm gewesen, aber Sukos Treffer hatten mich unvorbereitet und vor allen Dingen hart erwischt.
»Bitte, du darfst nicht liegenbleiben, Shao.«
»Ja, ja, ich komme.«
Das Bett knarrte. Shao bewegte sich. Dann vernahm ich auch ihre Schritte.
Sie ging zur Sitzgruppe, die nahe des Fensters stand.
Dort ließ sich Shao nieder, denn ich hörte, wie Suko ihr einen Sessel zurechtrückte.
Was hatten die beiden denn vor, verdammt noch mal? Allmählich wurde ich mehr als mißtrauisch und auch neugierig. Irgend etwas mußte Shao wollen. Leider lag ich auf dem Rücken und konnte sie nicht sehen.
Ich kämpfte gegen meine Schwäche an und versuchte, eine Position einzunehmen, die vom Blickwinkel her besser als die erste war.
Ich hatte mich gleichzeitig ein wenig zurückgedrückt, so daß ich die Tür als Stütze in meinem Rücken wußte.
Suko und Shao hatten sich beide gesetzt. Es standen zwei Sessel zur Verfügung. Zwischen ihnen befand sich der Tisch, auf dem auch das »Bild« lag.
Meine beiden Freunde wirkten wie nebelhafte Figuren. Ich konnte sie einfach nicht klar erkennen, der zweite Schlag hatte mich doch härter am Kopf erwischt, als ich mir eingestehen wollte.
Schwaden oder Nebel wallten vor meinen Augen. Sie verzerrten die Perspektive, und manchmal drehten sie sich auch zu wilden Kreisen.
Wieder vernahm ich ihre Stimmen. Und erschreckte mich.
»Was willst du mit meinem Messer?« fragte Suko.
Shao gab eine flüsternde Antwort. »Gib es mir, Suko. Ich bitte dich darum! Gib es…«
»Nenne mir den Grund? Willst du töten?«
»Ich liebe ihn…«
»Raus mit der Sprache!«
»Nein, bitte, ich brauche das Messer. Du mußt mir vertrauen, auch wenn ich ihn liebe…«
Wenn bei mir nur die verfluchten Kopfschmerzen nicht gewesen wären. In meinem Schädel drehte sich alles, und die Stiche wurden stärker, wenn ich versuchte, näher über das von Shao angeschnittene Thema nachzudenken. Sie wollte ein Messer! Suko hatte ebenfalls nach dem Grund gefragt. Er war sich also auch nicht sicher. Und ich ebenfalls nicht. Zudem sprach Shao von Liebe, und ich wußte noch immer nicht, wen sie mit dieser Liebe meinte.
»Willst du es mir nicht geben, Suko?«
»Ja und nein. Was hast du vor? Wen willst du damit töten?«
»Keinen…«
Mir klang die Antwort nicht sehr glaubhaft, auch Suko schien seine Zweifel zu haben, denn ich horte ihn seufzend atmen. Schließlich bequemte er sich zu einer Antwort, und sie fiel positiv in Shaos Sinne aus. »Also gut, ich werde dir die Waffe geben.«
»Danke.«
Während des letzten Dialogs der beiden hatte ich mich nicht gerührt.
Das änderte sich nun. Ich wollte endlich wissen, woran ich war, stemmte die Hände auf den Boden und drückte meinen Körper in die Höhe. So sah ich besser.
Shao hielt Sukos Messer in der Hand. Es war nicht Mandras Dolch, den trug ich bei mir, sondern ein normales Taschenmesser, dessen Griff sie mit der Rechten umschlossen hatte.
Die Spitze der Klinge zeigte nach unten.
Suko saß in einer angespannten Haltung vor ihr. So ganz schien er dem Frieden nicht zu trauen, wobei ich ähnlich dachte, denn mir war Shaos Vorhaben suspekt. Natürlich konnte sie die Hand drehen und auf Suko einstechen, ich traute ihr plötzlich alles zu, aber der Inspektor besaß so gute Reflexe, daß er den Angriff schon abwehren würde.
Meine Hände hatte ich gegen die Tür gelegt. So kam ich noch höher und gelangte auch in eine stehende Lage.
Jetzt war die Sicht gut.
Im gleichen Augenblick bewegte Shao ihren rechten Arm vom Körper weg. Er schwang auf den Tisch zu, und die Klinge schwebte darüber.
Auch über dem Bild!
In diesem Augenblick kam mir die Erleuchtung. Nun wußte ich Bescheid, wofür sie das Messer benötigte.
Sie wollte das Gesicht zerstören!
Plötzlich waren die Schmerzen vergessen, der Nebel verschwunden, durch meinen Körper ging ein Ruck, und ich wuchtete mich voran, während ich mit beiden Armen gestikulierte und schrie: »Nein, nicht, Shao! Tu es bitte nicht!«
Das Messer raste nach unten. Sie hatte nicht auf mich gehört oder nicht hören
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