0326 - Burg der tausend Schrecken
war eine Reiterin.
Die schwarzhaarige Inez Ferreira!
Sie galoppierte heran und parierte ihr Pferd dicht vor Nicole.
»Gut, daß ich dich wiederfand«, stieß sie hervor. »Oh, du hast ja immer noch nichts zum Anziehen gefunden, das tut mir leid… komm, steig mit auf. Ich bringe dich zurück zum Castillo.«
Nicole benutzte das Handtuch als Schutzdecke und schwang sich hinter Inez auf den Pferderücken. Pferd und Mädchen, um das Nicole die Arme schlang, um sich festzuhalten, waren überraschend stabil, gar nicht geisterhaft durchlässig. »Halte dich gut fest«, mahnte Inez Ferreira und trieb das Pferd, das sie auch jetzt ohne Sattel und Zaumzeug ritt, an.
Nicole wurde durchgeschüttelt. Krampfhaft klammerte sie sich fest. Es war nicht das erste Mal, daß sie auf einem Pferd saß, aber sie ritt zum ersten Mal ohne alle Hilfsmittel. Inez konnte hervorragend mit dem Tier umgehen, und Nicole war froh, daß sie hinter dem Gespenst saß, das damit dem Wind die Kraft nahm, der bei diesem Galopptempo doch recht kühl wirkte - trotz der Hitze.
»Kannst du mich nicht mit Magie ins Castillo bringen?« schrie Nicole nach vorn.
Inez schüttelte den Kopf, daß die langen Haare im Wind flogen. Sie wirkte ungeheuer realistisch. Nicole überlegte, ob vielleicht doch mehr Leute als geahnt dieses Gespenst gesehen hatten, es aber nicht für einen Geist halten konnten.
»Ich kann es nicht«, rief Inez zurück. »Das kann nur der Feind…«
»Wer ist der Feind?« wollte Nicole wissen. »Ist es der, der von deinem Bruder Besitz ergriffen hat?«
»Ja…«
Es verwehte förmlich.
Nach kurzer Zeit tauchte vor ihnen die Straße auf, die zum Castillo führte. Die Berglandschaft wurde sanfter, um dann vor dem steilen Hang zu enden, an dem Castillo Ferreira sich anlehnte.
»Du mußt mir mehr verraten«, verlangte Nicole. »Über die Hintergründe. Nur so können wir dir helfen.«
Neben dem Cadillac brachte Inez das Tier zum Stehen. Nicole rutschte vom Pferderücken. Im gleichen Moment seufzte Inez vernehmlich, und sie und das Pferd lösten sich einfach auf. Sie verschwanden wie Licht, das ausgeschaltet wird.
»Verflixt, jetzt weiß ich immer noch nicht mehr als vorher«, schimpfte Nicole. Das Tuch, das inzwischen nach Pferd roch, ließ sie einfach liegen und ging zum Haus. Jetzt machte sie sich keine Gedanken mehr darüber, ob sie beobachtet wurde oder nicht. Sie eilte die Treppe hinauf, über den Korridor und fand ihr Zimmer, dessen Tür nur angelehnt war.
Drinnen stand Zamorras Köfferlein.
Nicole hob die Brauen. Also war Zamorra in der Zwischenzeit hier gewesen und hatte ihr Verschwinden zwangsläufig bemerkt. Sie suchte seine Unterkunft auf, aber die war leer.
»Nanu?« überlegte sie. War er etwa im Castillo auf die Suche nach ihr gegangen? Nun, dann würde er über kurz oder lang mit Ferreira junior zusammengeraten, und dann gab es Ärger. Irgendwann würde Zamorra jedenfalls zurückkommen.
Oder war er ebenfalls von der Schwärze entführt worden?
Nicole schüttelte den Kopf. Inez hätte ihr es jetzt beim Heimritt gesagt. Sie hatte nur einmal vorhin im schwarzen Nichts davon gesprochen, daß sie versucht hatte, mit Zamorra zu reden, und daß er, also ihr Bruder, dazwischengekommen war. Demzufolge hatte es Zamorra nicht so erwischt wie sie, Nicole.
Diese Inez Ferreira mußte ein Phänomen sein. Sie war materiell, sehr materiell sogar, wenn sie bei Tageslicht erschien, und sie konnte irgendwie mit den Grenzen der Dimensionen spielen. Diese Schwärze war nach Nicoles Auffassung nichts anderes als eine Welt neben der Welt, ein Bereich mit tausend Torçn zu tausend Orten in tausend Welten.
Wie kontrollierte Inez das? War die Schwärze ihr angestammter Bereich, in dem sich ihr Geist aufhielt, wenn er nicht gerade in der Welt der Lebenden spukte? Wie aber hatte dann der Feind in diesen Bereich hineingreifen und Nicole an einen anderen Ort schleudern können?
Rätsel über Rätsel…
Nicole stellte sich noch einmal unter die Dusche, um den Pferdegeruch loszuwerden, der so realistisch war wie die Spukerscheinung selbst. Diesmal trat sie bei der Rückkehr ins Zimmer nicht in grenzenlose Schwärze. Sie schlüpfte in einen kanariengelben leichten Overall, kombinierte ihn wieder mit den Cowboystiefeln und einem breiten weißen Gürtel und versenkte diverse kleine Hilfsmittelchen, die sie Zamorras Koffer entnahm, in den praktischen Taschen des Overalls.
Da fiel ihr Blick auf die Zündkabel.
Wie kamen die in ihr Zimmer?
Sie
Weitere Kostenlose Bücher