0327 - Sie kamen drei Stunden nach Mitternacht
gab keine Antwort mehr. Ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt. Auch Mrs. Maspet schwieg. Als ich mich dann verabschieden wollte, sah ich, dass sie plötzlich blass geworden war.
Sie bewegte die Lippen, brachte aber keinen Ton heraus. Dann sah ich, wie sie nach einem Fläschchen greifen wollte das gelbliche Pillen enthielt, aber sie schaffte es nicht.
Jetzt ahnte ich, was ihre Blässe zu bedeuten hatte.
Ich griff nach dem Glasbehälter und schüttete zwei der kleinen runden Kügelchen auf die Handfläche.
Mrs. Maspet fasste mit zitternden Fingern danach und schob sie zwischen die blutleeren Lippen.
In der Ecke befand sich ein Waschbecken und auf der Platte darüber stand ein Glas.
Ich füllte es zur Hälfte. Ich musste es der Frau an die Lippen führen.
Sie war nicht fähig, es zu halten.
Es dauerte eine Minute, bis sie tief Luft holte und die krankhafte Blässe ihrer Wangen langsam wich.
»Soll ich einen Arzt rufen?«, fragte ich.
Sie schüttelte nur den Kopf, und ich blieb noch einige Minuten sitzen.
Dann lächelte sie plötzlich wieder und sagte:
»Ich danke Ihnen, Mister Cotton. Möglicherweise haben Sie mir das Leben gerettet.«
»Sind Sie krank, Mrs. Maspet?«
»Schon lange. Ich habe einen Herzfehler, der sich mit den Jahren verschlimmert hat. Ich darf mich nicht aufregen.«
»Wenn ich das gewusst hätte, würde ich Sie nicht belästigt haben.«
»Sie wussten es nicht, und vielleicht ist es ganz gut so. Den Schock habe ich überwunden. Ich kann wieder klar denken. Und Ihre Weisheit mit dem Alibi, das jeder Mörder plant, werde ich mir merken.«
Ich verzog mich.
***
Unterwegs gingen mir Gedanken durch den Kopf. Es war unbestreitbar, dass Carloman mit einem Taxi oder einem anderen Wagen, der nicht der Firma Florence Maspet gehörte, zu uns gekommen war. Sowohl der Chrysler als auch der Chevrolet waren im Hof der Firma.
Aber der Chevrolet war noch warm, und niemand wollte ihn gefahren haben. Das war allerdings kein schweres Verdachtsmoment, denn Mrs. Maspet hatte fünfundzwanzig Angestellte, von denen einer vielleicht eine kleine Schwarzfahrt gemacht hatte und es nicht eingestehen wollte.
Es blieb nur noch die Frage, warum Carloman keinen der Firmenwagen benutzt, sondern ein Taxi genommen hatte.
Nun, ich konnte ihn darüber fragen, aber Sinn würde diese Frage nicht haben. Er war zur Mordzeit im Gebäude des FBI gewesen. Sein Anmeldezettel mit der Uhrzeit elf Uhr fünfundvierzig bewies das.
Als ich kam, war er bereits weg. Phil hatte ihn so lange festgehalten wie irgend möglich, und damit war ja der Zweck erreicht, dass ich Mrs. Maspet unter vier Augen hatte sprechen können.
Wenn ich nur die Tatsachen berücksichtige, so war Carloman sowohl an dem Bankraub als auch an dem Mord an Rattlesnake unschuldig. Er hatte für beide Verbrechen ein unerschütterliches Alibi.
Aber mein Gefühl sagte mir, dass Carloman hinter den-Verbrechen steckte.
Ich überlegte, ob ich Gentleman-Ben den toten Gangster gegenüberstellen sollte, aber ich verwarf diesen Gedanken. Wenn er dessen Ermordung veranlasst hatte, so würde er auch den Nerv aufbringen, zu behaupten, er habe diesen Mann noch nie gesehen.
Ich sah die Morgenblätter durch und fand eine interessante Meldung. Everson vom Courant schrieb, dass Carloman und Snake im Zuchthaus Zellengenossen gewesen seien.
Ich rief den Reporter an.
»Woher haben Sie ihre Weisheit?«
»Einer unserer V-Leute hat mir das erzählt.«
»Es liegt mir sehr viel daran, eine Bestätigung zu erhalten, ob diese Angabe stimmt oder nicht. Würden Sie mir den Namen Ihres Vertrauensmannes sagen, wenn ich mich verpflichte, diesem keine Unannehmlichkeiten zu machen?« .
»Es tut mir unendlich leid, Jerry«, kicherte der Reporter. »Aber ich würde meine Verbindungen im gesamten East End und den übrigen Gangsterburgen zerstören, wenn ich einen meiner Gewährsmänner preisgebe. Sie wissen das genauso gut wie ich. Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag, Jerry. Ich weiß, wo ich den Burschen erreichen kann. Ich frage ihn noch mal, und innerhalb einer Stunde haben Sie Bescheid. Sie wissen dann entweder, wo die beiden zusammen gesessen haben, oder dass meine Quelle nichts getaugt hat.«
»Gut, Everson. Ich bleibe im Office. Rufen Sie mich an.«
Kein Reporter oder Redakteur wird ohne Zwang, das heißt, ohne gerichtliche Anordnung, den Namen des Informanten nennen.
Um fünf Uhr rief Everson wieder an.
»Es war vor zwei Jahren in Joliet. Mein Gewährsmann war zu dieser
Weitere Kostenlose Bücher