0327 - Vampir-Witwen
sie gekommen. Das Gesicht verschwamm fast hinter dem Schleier. Leider hatte ich nicht erkennen können, ob es sich bei der Frau um eine mir bekannte Person gehandelt hatte.
Möglich war es, und ich dachte darüber nach, wer mir von den weiblichen Personen gern ans Leder gewollt hätte. Da gab es einige, das war sicher. Aber Namen konnte ich auch nicht sagen.
Wie ein Anfänger war ich in die Falle gegangen. Der Killer hatte es nicht geschafft, dafür die Weibsbilder. Ich hätte mich selbst ohrfeigen können, das half aber auch nichts mehr.
Und so blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten, denn für alle Zeiten würden sie mich in diesem Verlies nicht hängen lassen. Irgend etwas hatten sie mit mir vor.
Ich senkte den Kopf und schaute auf die Flammen. Sie brannten ruhig und mit einer bläulichen Farbe.
Ich dachte daran, daß man in den Folterkammern der mittelalterlichen Burgen auch die Folterinstrumente zum Glühen gebracht hatte.
Bei diesen Gedanken wurde mir der Magen eng, und das Würgegefühl in der Kehle nahm zu. Wenn ich nur gewußt hätte, was ich ihnen angetan hatte, aber das war nicht herauszufinden.
Irgendwo mußte ich ihnen mal auf die Zehen getreten sein. Aber gleich vier Damen auf einmal?
Das konnte ich mir kaum vorstellen. Sosehr ich mir auch mein Gehirn zermarterte, ich kam nicht darauf. Ich kannte keine vier Frauen, denen ich zugleich auf die Zehen getreten war.
Und zudem noch Witwen!
Dann mußte ich wieder an die Stunden denken, die ich bei den Conollys verbracht hatte. Auf den guten Bill war geschossen worden.
Zudem hatte eine Fledermaus sein Haus angegriffen. Und jetzt die vier Frauen – ich war davon überzeugt, daß es zwischen diesen Dingen einen Zusammenhang gab. Irgendwo mußte ein gemeinsames Band existieren, das alle Vorgänge miteinander verknüpfte.
Und das zu finden, war gar nicht einfach.
Meine Gedanken wurden unterbrochen, da ich Schritte hörte. Nur bei sehr genauem Lauschen waren sie zu vernehmen, aber sie näherten sich der Tür meines Gefängnisses.
Dort verstummten sie für einen Moment, bevor sich ein Schlüssel im Schloß bewegte und die Tür aufgeschlossen wurde. Man rammte sie nicht sofort auf, sondern schob sie vorsichtig nach innen.
Vielleicht durch einen gezielten Stoß oder Fußtritt.
Ich sah ein dunkles offenes Rechteck, das sich hinter dem Flammenschein abzeichnete.
Und dann kamen sie.
Es war wie im Kino, als hätte der Regisseur auf eine besonders wirkungsvolle Szene gesetzt.
Sie gingen nicht neben, sondern hintereinander.
Eine sah so aus wie die andere. Schwarzgekleidete Frauengestalten, mit Schleiern vor den Gesichtern, so daß ich von ihnen kaum etwas erkennen konnte.
Sie waren fast gleich groß und bewegten sich schweigend, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Die letzte drückte die Tür des Verlieses so weit zu, daß sie spaltbreit offenstand.
Erst als diese in die Reihe der drei anderen getreten war, hoben sie die Köpfe und schauten mich durch die kleinen Schleieröffnungen an. Noch sprachen sie nicht. Sie standen in einer Reihe hinter dem Fenster und wirkten wie eine finstere Drohung. Hatte ich die Gesichter bleich hinter dem Schleier in Erinnerung, so bekamen sie nun durch die tanzenden Flammen einen rötlichen Schein, als hätte sie jemand mit einer Blutmasse bestrichen.
Sie sprachen kein Wort. Stumm betrachteten sie mich. Ich nahm an, daß sie sich jetzt schon darüber Gedanken machten, auf welch scheußliche Weise sie mich umbringen würden. Denn was hatte es für sie für einen Sinn, mich am Leben zu lassen?
Überhaupt keinen.
Es verrann Zeit. Unter ihren Blicken fühlte ich mich äußerst unwohl.
Manchmal rann eine Gänsehaut über meinen Rücken, und ich hatte Mühe, das Schweigen nicht zu brechen.
Sie wollten etwas von mir!
Ich schaute nach der Haarfarbe, die durch den Schleier schimmerte.
Eine nur war blond, die anderen dunkelhaarig.
»Das ist er also!« Die erste unterbrach das Schweigen. Es war die, die ganz links stand.
»Ja, das ist der Mörder.«
»Er hat ihn getötet.«
»Und nun hängt er hier und ist so verdammt wehrlos!« Die vierte Sprecherin fügte noch ein Lachen hinzu.
»Ja, wehrlos ist er«, hörte ich wieder die erste sagen. »Und er wird einen Tod erleiden, wie ihn selten jemand vor ihm hatte. Das kann ich dir versprechen, Geisterjäger.«
Ich mußte einmal schlucken, bevor ich antworten konnte. Okay, sie hatten mir ihre Meinung gesagt. Nur wollte ich gern wissen, aus welchem Grund ich sterben
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