0328 - Die Werwolf-Schlucht
und einen Halbkreis um ihre Herrin bilden, während sich andere in unserem Rücken aufgebaut hatten, so daß die Chance zur Flucht gleich Null war.
Diese Bestien waren zum Teil bewaffnet. Sie trugen solche Lanzen, wie auch Suko sie noch bis vor wenigen Sekunden gehalten hatte, bevor man sie ihm aus der Hand riß.
Eine Frau unter Bestien! Vielleicht sogar die Schlimmste von allen.
So mußte ich Morgana Layton sehen.
Suko und ich waren nebeneinander stehengeblieben und bekamen mit, wie sie auf uns zuging. Auf ihrem Gesicht lag das Lächeln wie eingefroren. Das braune Haar hatte sie zurückgekämmt, die Augen blickten seltsam klar und gleichzeitig warnend öder fordernd. Ich konnte den Blick nicht deuten, obwohl es so schien, als wollte er mir einiges begreiflich machen.
Sie trug ein sackähnliches Gewand, das sehr weit um ihren Körper schwang und an den Knöcheln endete. Nur am Gesicht war zu erkennen, daß es sich bei Morgana um eine Frau handelte.
»Ich grüße dich, John Sinclair«, sagte sie.
Mein Nicken reichte als Antwort.
»Wer ist das?« fragte sie und deutete auf Suko.
»Ein Freund.«
»Auch Geister Jäger?«
»So ist es.«
»Da haben wir ja zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen«, sagte sie und begann zu lachen.
Dieses Lachen regte mich auf. In mir kochte etwas, und ich stand dicht vor dem Überkochen. Ich ärgerte mich wieder über meine damalige Entscheidung, Morgana Layton einfach laufen gelassen zu haben, nun hatte ich die Quittung bekommen.
»Du denkst an den Schwarzwald, nicht wahr?«
»Ja!« preßte ich hervor. »Daran denke ich auch. Und ich denke sogar weiter! Ich hätte dich damals nicht entkommen lassen sollen, dann wäre das jetzt nicht passiert.«
»Was denn?«
»Da fragst du noch?«
»Erkläre es mir.«
»Die Toten, Morgana. Sie gehen auf dein Gewissen, falls du überhaupt eines hast.«
Ich sah ihr Abwinken, und das machte mich noch zorniger.
Wieder sah ich die Szene vor meinem geistigen Auge, als Suko und ich in der Baracke standen und die Leichen anstarrten. Fünf waren es gewesen.
Wenn ich unseren Informanten und den Piloten hinzurechnete, sogar sieben. Und die gingen auf das Konto von Morgana Layton, die vor mir stand und mich anschaute.
Automatisch hatte ich die Hände geballt. Das sah auch Suko. Er faßte meinen Arm und hielt mich zurück.
»Laß es, John!« flüsterte er, »es hat keinen Sinn. Sie sitzt am längeren Hebel.«
Morgana lächelte. »Das sitze ich in der Tat.«
Auch ihre Worte beeindruckten mich nicht. »Weshalb mußten die Männer sterben?« fragte ich sie. »Weshalb? Sage es mir. Haben sie dir und deinen verfluchten Bestien etwas getan?«
»Nein.«
»Und du brachtest sie trotzdem…«
Morgana Layton unterbrach mich. »John Sinclair, ich würde an deiner Stelle sehr ruhig sein und den Mund halten. Diese Insel wird von mir beherrscht. Merk dir das!«
»Okay, ich weiß Bescheid. Ich frage mich nur, aus welchem Grund wir noch leben?«
»Das frage ich mich auch«, erwiderte sie orakelhaft. »Aber ihr seid eben etwas Besonderes, deshalb wird euch eine große Ehre zuteil.«
»Darauf können wir verzichten!«
»Das würde ich nicht unterstreichen«, erwiderte sie. »Nein, auf keinen Fall.«
Sie hatte sehr langsam und deutlich gesprochen, und ihre Worte durch ein Nicken begleitet. Was das nun wieder sollte, wußte ich auch nicht.
Jedenfalls deutete alles darauf hin, daß wir noch für eine gewisse Zeit am Leben bleiben sollten.
Ein schwacher Trost.
Die Werwölfe hatten den Kreis enger gezogen. Ich nahm ihre scharfe Ausdünstung wahr. Der Geruch war nichts für menschliche Nasen. Er widerte mich an.
Morgana gab den Befehl. »Laß uns jetzt gehen!« ordnete sie an.
»Ich möchte euch noch etwas zeigen.«
Nach diesen Worten drehte sie sich um und ging langsam vor. Es blieb uns nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Bisher hatten wir Glück gehabt. Nun sah es so aus, als hätte uns diese Glückssträhne endgültig verlassen. Wir befanden uns in den Händen der Bestien, die dicht aufgerückt waren.
Aus der Nähe konnte ich mir die Werwölfe anschauen. Jeder sah gleich aus. Die langen roten Haare, das Gesicht mit dem großen Maul, in dem die beiden Zähne aus dem Unterkiefer hochwuchsen, all das war nicht dazu angetan, unseren Optimismus zu steigern.
Wir näherten uns der Felswand. Morgana Layton hatte sich an die Spitze der kleinen Kavalkade gesetzt. Wenn wir sie sahen, schauten wir nur auf ihren Rücken.
Sie sagte nichts mehr, sondern
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