033 - Das vertauschte Gehirn
beobachtet, wenn du aus dem Haus tratest, die Straße überquertest. Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt, als ich dich sah. Du warst nett zu mir, freundlich, und immer hast du gelächelt, wenn wir uns im Lift oder auf der Treppe trafen. Aber da war Mike Holbers.
Ich begann ihn zu hassen, weil er es war, dem du dein Herz geschenkt hattest. Die Zwischenwände unserer Wohnungen sind dünn, und manchmal hörte ich, was er sagte. Mike war weder charmant noch liebenswert. Aber er sah gut aus, und das hat dich verblendet.
Und wer war ich, John Morgan? Nichts als eine dürre, ausgemergelte Vogelscheuche, die dich liebte und nie auf Gegenliebe hoffen durfte. Und doch spürte ich, daß auch du mich lieben könntest, wenn ich nur anders aussähe. Wenigstens ein bißchen erträglicher.
Ich ging zu einem Gesichtschirurgen. Doc Lundi, der dir ja später den Hof machte. Alles mußte ich ihm erzählen. Warum ich ein anderes Gesicht wollte, wen ich liebte, wen ich haßte. Es gab kaum etwas, was er nicht wissen wollte. Angeblich deshalb, um aus mir den richtigen Typ für dich zu machen.“
Ich mache eine Pause, drücke die Zigarette aus und trinke einen Schluck Kaffee. Elisabeth sitzt mir mit halb geschlossenen Augen gegenüber, lauscht gespannt. Ich glaube, ich habe den richtigen Weg gefunden, sie zu überzeugen und rede weiter: „Es dauerte noch ein paar Tage, wir machten einen Termin miteinander aus, und ich erzählte dir, das ich fortziehe. Du solltest einen neuen Menschen zum Nachbarn bekommen, nicht einen veränderten John Morgan. Später hätte ich es dir einmal gestanden. Bestimmt hätte ich das getan. Du hast mich dann zu dir eingeladen. Ich bin früh gegangen, weil Holbers kam und den Abend verpatzte. Am nächsten Morgen fuhr ich zum Doc. Ich wurde operiert, und es dauerte Wochen, bis ich die Augen wieder aufschlug. Mike Holbers müßte also fast zur gleichen Zeit verschwunden sein wie ich damals. Natürlich wußte ich nicht, daß die Operation so lange dauern würde. Und der Doc hat die Zeit ausgenutzt und dich umgarnt. Er hat es getan, um meinen Hass zu steigern. Er wollte mich von sich abhängig machen. Du mußt mir glauben, das dies der einzige Grund war, Elisabeth.“
„Schrecklich!“ flüsterte sie. „Wenn das alles wahr ist, dann, dann …“ Sie findet keine Worte, schweigt, blickt mich mit geweiteten Augen an.
„Als er mir meine Verbände abnahm, und ich in den Spiegel schaute, sah ich in das verhaßte Gesicht meines Nebenbuhlers“, fahre ich fort. „Und der Doc erzählte mir, daß er lediglich mein Gehirn in den Körper Holbers umgepflanzt hat. Er erzählte mir nicht, daß mein toter Körper das Gehirn von Holbers bekommen hatte. Für den Doc war es ein Experiment, und Holbers dient ihm heute und tut willig, was ihm der Doc befiehlt. Er hat sich bei dir als John Morgans Zwillingsbruder vorgestellt, aber John Morgan hatte nie einen Zwillingsbruder.“
„Aber wie konnte er leben, wo seine Leiche doch in der Gefriertruhe nebenan lag?“
„Auch das habe ich erst später erfahren. Ich war das erste Experiment des Docs. Er drohte mir, meine eigene Leiche auftauchen zu lassen, wenn ich gegen ihn etwas unternähme. Darum wollte ich die Leiche verschwinden lassen. Aber dabei hat; er mich erwischt und mich über ein halbes Jahr festgehalten, ohne das ich davon etwas ahnte. Ich weißt nicht, was er in dieser Zeit getan hat, oder wo ich lebte, jedenfalls wurde ich wach in meinem Zimmer nebenan, und dann klingelte auch schon die Polizei. Nach meiner Verhaftung wurde der tote Körper freigegeben. Der Doc hat ihn sich irgendwie besorgt und dann das Gehirn von Mike Holbers eingepflanzt. Und ab da tauchte ja auch erst der angebliche Zwillingsbruder auf.“
Sie nickt mit blassem Gesicht, kann es kaum fassen, was ich da erzähle. „Wie bist du wieder frei gekommen?“ fragt sie mit brüchiger Stimme. „Sag es mir, John.“
Ich starre sie an.
„Du darfst nicht erschrecken. Ich werde es dir zeigen, Elisabeth. Sieh mich genau dabei an!“
Unverwandt liegt ihr Blick auf meinem Gesicht. Ich konzentriere mich, dann höre ich ihren Schrei im Wohnzimmer, während ich mitten in der Küche stehe.
„Ich bin hier!“ rufe ich aus und gehe ins Wohnzimmer zurück. Sie ist schreckensbleich, ringt nach Atem. Ich fasse nach ihrer Hand, presse sie fest zwischen meine Hände. „Beruhige dich, Elisabeth. Ich kann es dir erklären. Nur dieser Gabe habe ich es zu verdanken, das ich überhaupt noch lebe. Der Doc hat
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