033
sie außer Mr. Marlows Sicht war, rannte sie so schnell wie möglich in ihr Zimmer, um dort Trost zu finden.
Nathan blieb mitten im Arbeitszimmer stehen, fast außer sich vor Zorn. Sie war also schwanger? Nun, das änderte die Dinge beträchtlich. Die Vorstellung, die Hure eines anderen Mannes zu heiraten, die dann auch noch dessen Bastard zur Welt brachte, passte ihm zwar überhaupt nicht, doch wenn der Preis stimmte, konnte er sich zu allem überreden lassen.
Er überlegte, ob Mr. Alvarez Kenntnis vom leichtfertigen Lebenswandel der Tochter haben mochte, und gelangte zu dem Schluss, der alte Mann könne das nicht wissen.
Vor sich hinlächelnd verließ er das Zimmer, um mit ihm zu sprechen. Es war an der Zeit, dass Mr. Alvarez erfuhr, wie liederlich seine Tochter war. Er wusste, es würde interessant sein zu sehen, wie der alte Kalifornier auf die Aussicht reagierte, der gute Ruf seiner Tochter könne möglicherweise durch in der Stadt verbreitete Gerüchte über ihren unkeuschen Lebenswandel ruiniert werden.
„Luis!" Nathan traf den Älteren im Salon an.
Luis war erstaunt darüber, dass Nathan das Gespräch mit Reina so schnell beendet hatte. „Wo ist meine Tochter?"
„Ich glaube, sie ist in ihr Zimmer gegangen."
Das wirkte befremdlich auf Luis, und sogleich überlegte er, was zwischen ihr und Nathan vorgefallen sein mochte. „Habt ihr eure Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt?"
„Genau deswegen muss ich mit Ihnen reden."
„Oh? Gibt es ein Problem? Ich bin sicher, es lässt sich lösen, ganz gleich, worum es sich handelt."
„Ich befürchte, Luis, es geht um mehr als nur ein kleines Problem, das gelöst werden muss."
„Ich begreife nicht."
„Offenbar hat Ihre Tochter Ihnen nicht alles erzählt."
„Alles? Wovon reden Sie?"
„Ich rede über die Tatsache, dass sie von einem anderen Mann schwanger ist." Es hatte Nathan besonderes Vergnügen bereitet, diese Neuigkeit zu verkünden, und er genoss es, das Gesicht des alten Mannes grau werden zu sehen.
„Mr. Cordeil!" krächzte Luis. Als er begriff, was er getan hatte, bekam er Schuldgefühle. Er war derjenige gewesen, der Reina mit diesem zwielichtigen Revolverhelden zusammengebracht hatte. Er war für ihren augenblicklichen Zustand verantwortlich. Alles war seine Schuld. Es war kein Wunder, dass Reina nicht genug Vertrauen zu ihm hatte, um ihm die Wahrheit über alle Ereignisse zu erzählen. Was hatte er ihr angetan! „Ich werde den Bastard töten", erwiderte er wutschnaubend.
„Tun Sie nichts Überstürztes, Luis", beschwor Nathan ihn ruhig. „Ich habe nichts dagegen, Reinas guten Ruf zu retten. Ich werde unsere Absprachen einhalten und Ihre Tochter heiraten. Vorher möchte ich jedoch eine Änderung an unserem ursprünglichen Abkommen vornehmen lassen."
Der alte Kalifornier war ein stolzer Ehrenmann und hielt sich daher straff, während er auf Nathans Vorschlag wartete. „Welche?"
„Ich willige ein, Ihre Tochter zu heiraten und das Kind als meins auszugeben, doch nur, wenn Sie mir vor der Hochzeit die Hazienda überschreiben."
„Was?" Luis war über Nathans Habgier und Tücke entsetzt. Wäre Nathan ein Ehrenmann gewesen, dem wirklich etwas an Reina lag, hätte er diesen Vorschlag nie gemacht. Die beunruhigende Abneigung, die er schon früher gegen ihn empfunden hatte, verwandelte sich jetzt in blanken Hass.
„Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Reina ist nicht mehr jungfräulich. Sie hat mit Gott weiß wie vielen Männern herumgehurt, und nun trägt sie von einem von ihnen einen Bastard aus, den sie dann als mein Kind ausgeben will! Ich glaube, für diese Demütigung habe ich einen zusätzlichen Ausgleich verdient. Wenn ich ihn nicht erhalte, ist unser Abkommen erledigt. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?"
Luis kochte vor Wut. Wäre er in diesem Augenblick im Besitz einer Waffe gewesen, hätte er sie benutzt. Wie konnte Mr. Marlow es wagen, so vor ihm in seinem eigenen Haus zu stehen und derartige Äußerungen zu machen?
In diesem Moment begriff er, dass Reina, ganz gleich, was sie getan haben mochte, in ihrem Urteil über Mr. Marlow Recht hatte. Der Mann war trotz seines Geldes, seiner wichtigen Verbindungen und geschäftlichen Erfolge kein Gentleman. Er war nicht einmal gut genug dafür, die Pferdeställe auszumisten, ganz zu schweigen davon, die geliebte Tochter zu heiraten.
„Sie haben sich sehr unmissverständlich ausgedrückt, Mr. Marlow", erwiderte Luis fest. „Was mich betrifft, so sehe ich alle unsere
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