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033

033

Titel: 033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: In seidenen Fesseln
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sehen, was dort passierte.
    Die Banditen waren der Kutsche näher gekommen. Als Mr. Poke sich leicht aus dem Fenster beugte, gab einer der Verbrecher einen gezielten Schuss ab. Die Kugel traf Mr. Poke in der Schulter, und vor Schmerz schrie er auf, torkelte zurück und fiel halb auf den Sitz, halb auf die Frauen.
    Entsetzt schrien Ruth und Melissa auf. Nur Reina hatte die Geistesgegenwart, sofort etwas zu unternehmen. Sie stemmte Mr. Poke von sich und versuchte zu sehen, ob sie ihm behilflich sein könnte. Sie half ihm ganz auf den Sitz und schaute sich dann die Wunde an.
    „Poke", murmelte sie bestürzt und erschrocken beim Anblick des durch das Hemd dringenden Blutes. Sie zerriss den Stoff über der Wunde, und da sie sah, wie ernst Mr. Poke verletzt war, riss sie sofort einen Streifen vom Unterrock ab, legte ihn zusammen und drückte, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass ihr weißer Habit Blutflecke bekommen würde, den behelfsmäßigen Tupfer fest auf die Wunde, um die Blutung zu stillen.
    „Verdammt!" äußerte Mr. Poke, vor Schmerz halbbenommen. „Es tut mir Leid, Schwester."
    „Still, Poke!" ermahnte sie ihn und staunte darüber, dass er, obwohl er sichtlich starke Schmerzen hatte, dennoch daran denken konnte, in ihrer Gegenwart geflucht zu haben. „Halten Sie durch! Ich kümmere mich um Sie." Mehr Zeit, noch etwas zu äußern, blieb ihr nicht, weil die Kutsche plötzlich langsamer fuhr.
    „Oh, mein Gott! Der Kutscher hält an!" kreischte Ruth.
    „Mama!" rief Melissa. Die Mutter drückte sie in dem Versuch an die Brust, die Tochter vor den Schrecken zu schützen, denen man, wie sie wusste, ausgesetzt sein werde.
    Als die Kutsche stehen blieb, unternahm Mr. Poke den übermenschlichen Versuch, seine Pistole vom Fußboden des Wagens aufzuheben, und drückte der Nonne die Waffe in die Hand. „Hier!" sagte er ächzend. „Lassen Sie das Geschmeiß nicht an sich heran!"
    Überrascht starrte sie die Waffe an. Sie wusste zwar, wie man damit umging, denn der Vater hatte ihr das Schießen beigebracht, fragte sich indes, ob sie wirklich jemanden erschießen könnte. Mr. Poke bemerkte ihre Verwirrung und zog eine falsche Schlussfolgerung.
    „Es ist keine Sünde, sich zu retten", äußerte er schwach. „Benutzen Sie die Waffe, wenn Sie dazu gezwungen sind, Schwester."
    Er verlor das Bewusstsein in dem Moment, da der Wagenschlag ungestüm aufgerissen wurde. Die Tür knallte heftig gegen die Kutschwand, und die kräftige Gestalt eines bedrohlich aussehenden Mannes war zu sehen. Er war groß und hässlich und hatte die untere Gesichtshälfte unter einem Tuch verborgen. Er beugte sich ins Wageninnere vor, und ein triumphierendes Funkeln erschien in seinen blauen Augen, als er die neben dem Cowboy kauernde Nonne sah.
    „He, he, he." Sein grässliches Lachen hallte im Wagen wider und verursachte Reina und den anderen Passagieren ein Frösteln. „Aus dem Weg!" befahl er, versetzte der Nonne einen harten Stoß und schubste sie von Mr. Poke fort.
    Aus vor Angst weit aufgerissenen Augen schaute sie den schurkisch aussehenden Räuber an, während sie sich auf den gegenüberliegenden Sitz hochzog. Ungeachtet ihrer Furcht hatte sie die Geistesgegenwart, die Pistole in den Falten ihres weiten Rocks zu verbergen.
    „Guter Schuss, Duke! Du hast den Kerl getroffen."
    „Ist er tot?" fragte jemand vor dem Wagen.
    „Noch nicht, doch er wird bald erledigt sein", antwortete der bösartige Vic breit grinsend. „Aber die anderen Insassen leben noch."
    „Die anderen? Du meinst, da sind noch mehr Passagiere?"
    „Ja, und das sind nur Frauen." Vic trat von der Kutsche weg, hielt seine Waffe jedoch auf die offene Tür gerichtet. „Aussteigen!" befahl er kalt.
    „Schwester?" Verzweifelt und in der Hoffnung auf Beistand, richtete Ruth den Blick auf die Nonne.
    Reina erinnerte sich Mr. Pokes Bitte, sie möge für sie alle beten, und fragte sich, was ein Gebet gegen solche Männer fruchten würde.
    „Wir tun besser, was der Mann von uns will", erwiderte sie eindringlich. „Lassen Sie mich zuerst aussteigen."
    Entsetzt nickte Ruth, schloss flüchtig die Augen und verbarg das Gesicht im Haar ihrer Tochter. Reina gab sich den Anschein der Gelassenheit, verließ den Wagen und schaute die Angreifer an.
    Bisher hatte sie sich nie wirklich vor etwas gefürchtet, doch nun empfand sie Todesangst. Der Vater hatte ihr oft von bösartigen, gesetzlosen Männern erzählt, die das Land unsicher machten und ahnungslose Reisende überfielen. Nun, da

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