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nicht? Sie beten nur?" fragte das Kind enttäuscht und fand, es klänge schrecklich, ein Leben so voll von frommer Hingabe führen zu müssen. „Wieso wollten Sie das tun, wenn Sie doch zu Hause sein und Ihr Pferd reiten könnten?"
„Melissa!" äußerte die Mutter tadelnd. „So darfst du nicht mit Schwester Maria Regina reden!"
„Ja, Mama", erwiderte Melissa zerknirscht. „Es tut mir Leid, Schwester", entschuldigte sie sich.
„Mach dir keine Gedanken, Melissa", sagte Reina. „Ich erinnere mich, dass es eine Zeit gab, in der ich genauso dachte." In der Tat! Wann war das gewesen? Vor zwanzig Minuten?
„Was ist passiert, das Sie anderen Sinnes gemacht hat?" wollte das neugierige Kind wissen.
„Ich bin mir beinahe über Nacht bewusst geworden, dass ein Leben als Nonne der einzige Weg zur Rettung meines Seelenheils ist", antwortete Reina ruhig und wusste, das, was sie soeben geäußert hatte, war die reine Wahrheit gewesen.
„Oh!" Melissa furchte die Stirn und versuchte, die Erklärung zu begreifen, ohne sie jedoch ganz zu verstehen. „Aber es muss irgendwie schrecklich sein, die ganze Zeit solche Sachen tragen zu müssen. Ist Ihnen denn darin nicht heiß?"
„Melissa!" Erneut war Ruth über diese Frage schockiert.
„Es tut mir Leid, Schwester. Melissa hatte nie zuvor Gelegenheit, mit einer Nonne zu reden. Sie begreift nicht..."
„Glauben Sie mir, Mrs. Hawks, dass ich Verständnis aufbringe", beschwichtigte Melissa die peinlich berührte Mutter und schaute dann das junge Mädchen an. „Ja, Melissa, mir wird sehr heiß in diesen Sachen." Sie versuchte, nicht an den Schweiß zu denken, der ihr auf der Stirn stand und über den Rücken sickerte. „Aber diese Unbequemlichkeit ist die Sache voll und ganz wert. Die Belohnung dafür, dass ich diese kleinen Unannehmlichkeiten ertrage, wird groß sein", versicherte sie dem Kind und meinte damit nicht die schreckliche Hitze und das daraus resultierende Unbehagen, sondern die Freude darüber, eines Tages sicher und unbehelligt in New Orleans angekommen zu sein.
„Ich wette, Ihnen wird noch heißer, ehe wir in Fort Yuma sind", erwiderte Melissa überzeugt. „Papa hat uns immer geschrieben, dass es dort wirklich heiß ist."
„Ich bin sicher, er hat Recht", erwiderte Reina. Die Vorstellung, wie viele Meilen nach der Abreise aus Yuma noch durch Ödland zurückgelegt werden mussten, beunruhigte sie weitaus mehr als die Fahrt nach Yuma. Ehrlich gesagt, erstickte sie fast unter dem entliehenen Habit, und sie überlegte, wie sie im Wüstenklima durchhalten sollte, da sie als Nonne unmöglich ein Kleidungsstück nach dem anderen ablegen konnte, nur um nicht so schwitzen zu müssen.
Sie dachte an die weit geschnittenen, daheim zurückgelassenen Blusen und Röcke und die vielen Stunden, die sie in der Kühle des schattigen Innenhofes der Hazienda beim plätschernden Brunnen zugebracht hatte, und wurde erneut von Heimweh erfasst. Sie zwang sich, es zu verdrängen, denn sie hatte ihre Wahl getroffen und würde durchhalten. Sie würde nicht heimkehren, koste es, was es wolle, es sei denn, der Vater versicherte ihr, sie müsse Mr. Marlow nicht heiraten.
Plötzlich und unerwartet waren schnell hintereinander abgegebene Schüsse zu hören, deren Lärm die nachmittägliche Stille zerriss. Vollkommen überrascht, reagierte der Kutscher instinktiv und drosch heftig auf die Pferde ein. Durch das Knallen und die Peitschenhiebe verschreckt, wieherten sie verstört auf und preschten vorwärts. Reina und die anderen Passagiere wurden, als der Wagen unvermittelt nach vorn ruckte, von den Sitzen geschleudert.
Mr. Poke erholte sich als Erster von dem Schreck, zog den Revolver und schaute aus dem Fenster. Er sah die Banditen in vollem Galopp die Kutsche verfolgen und befahl scharf: „Verdammt, ducken Sie sich alle auf den Fußboden. Entschuldigung, Schwester." In dem Bemühen, die Banditen zu verjagen, fing er an, durch das offene Fenster auf sie zu schießen, doch durch das Geschaukel des Wagens waren seine Schüsse alles andere als zielsicher.
Die Räuber hörten, dass sie jemand aus dem Wageninneren beschoss, und erwiderten die Schüsse. Kugeln trafen die Wagenverkleidung um das Fenster, hinter dem Mr. Poke hockte. Rasch duckte er sich neben den Frauen und nutzte die Zeit, um die Waffe nachzuladen.
„Sie beten besser, Schwester, denn diese Männer sehen wirklich gemein aus", sagte er ernst und schaute ihr in die dunklen Augen.
Reina bemerkte, wie beunruhigt er war, und
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