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liegenden Steine, und brachte sich in Sicherheit. Nach Atem ringend duckte sie sich.
„Ist mit Ihnen alles in Ordnung?" erkundigte Ruth sich besorgt.
„Ja", antwortete Reina keuchend.
„Wer ist da auf der Anhöhe?"
„Ich habe keine Ahnung", sagte Reina atemlos. „Wer immer dort ist, muss uns von Gott geschickt worden sein."
Die Schießerei hatte aufgehört, während Clay über Land geprescht war. Er war nicht einmal sicher gewesen, in die richtige Richtung zu reiten, bis er dann auf die Anhöhe gelangt war. Beim Anblick des unter ihm auf der Straße stattfindenden Überfalls hatte er jäh das Pferd angehalten. Es war ihm nicht möglich gewesen zu beurteilen, ob Miss Alvarez sich unter den Reisenden befand. Das war indes nicht von Bedeutung gewesen, weil der schockierende Anblick des die Nonne belästigenden Schurken seine Aufmerksamkeit viel mehr beansprucht hatte. Voller berechtigter Wut hatte er sich vom Pferd geschwungen und das Gewehr aus dem Halfter gezogen.
Er hatte sich die für ihn vorteilhafteste Stelle hinter einem großen Felsbrocken ausgesucht. Die Passagiere hatten so dicht beieinander gestanden, dass er Angst gehabt hatte, einen von ihnen zu treffen. Daher hatte er besonders sorgfältig gezielt und dann den Abzugshahn betätigt. Zufrieden hatte er beobachtet, wie der etwas von den anderen Leuten entfernt stehende Verbrecher tot zu Boden stürzte. Nachdem der andere Bandit rasch die Nonne losgelassen hatte und in Deckung gegangen war, gab er den Frauen und dem Kutscher durch mehrere Schüsse Gelegenheit, ihrerseits Deckung zu suchen. Sobald er Gewissheit hatte, dass sie vorläufig vor dem Banditen in Sicherheit waren, hockte er sich hinter den Felsen und lud nach. Dann veränderte er die Stellung, um den Ort des Überfalls besser im Auge zu haben.
So verängstigt war Reina noch nie gewesen. Ihre Hände zitterten, während sie Mr.
Pokes Waffe aus der Tasche zog.
„Mr. Pokes Pistole! Ich hatte sie vergessen!" Entsetzt schaute Ruth Schwester Maria Regina an. „Wissen Sie, wie Sie damit umgehen müssen?"
„Mein Vater hat mir das Schießen beigebracht, als ich noch ein junges Mädchen war", antwortete Reina.
„Haben Sie schon einmal jemanden erschossen?" wollte Melissa wissen. In ihren weit geöffneten Augen drückte sich eine Mischung aus Respekt und Bestürzung aus.
„Nein." Reina hielt inne. Sie wusste, es bestand ein großer Unterschied darin, auf eine Zielscheibe oder einen Menschen zu schießen. Sie fragte sich, ob sie wirklich fähig sein würde, jemanden zu erschießen. „Ich habe jedoch nicht die Absicht zuzulassen, dass dieser Mann uns wieder zu nahe kommt."
„Sie haben Recht", stimmte Ruth zu und fürchtete um ihrer aller Leben.
Reina lugte über die Felskante und hoffte, freie Sicht auf Duke zu haben. Er hatte sein Versteck jedoch gut gewählt. Sie stellte fest, dass es unmöglich war, auch nur etwas näher an ihn heranzukommen. Da sie wusste, dass nur noch wenige Kugeln im Magazin waren, hockte sie sich wieder neben Mrs. Hawks und Melissa.
„Keine Chance?"
Reina schüttelte den Kopf. „Der Kerl hat sich zu gut versteckt. Vielleicht kann ich auf ihn schießen, wenn er sich bewegt, aber im Moment ist das ausgeschlossen."
Pokes Pistole fest haltend, lehnte sie sich gegen den scharfkantigen Stein und wartete. Sie dachte an den alten Cowboy und seine Äußerung, es sei keine Sünde, sich zu verteidigen, und lächelte matt. Er war verletzt worden, weil er die Mitreisenden freiwillig verteidigt hatte. Niemand hatte ihn dazu aufgefordert, das zu tun. Niemand hatte ihm befohlen, sein Leben für die anderen Passagiere zu riskieren. Trotzdem hatte er genau das getan. Ungeachtet der schweren Verletzung hatte er sich dann sogar noch um die Sicherheit der Mitreisenden gesorgt. Er war wirklich ein guter, hochherziger Mensch, und Reina hoffte, er möge wieder gesund werden, falls es gelang, Duke zu vertreiben.
Die Deckung, die der Verbrecher hinter den Felsen gefunden hatte, war so gut, dass Clay ihn nicht treffen konnte. Er wusste, dass wenig Hoffnung bestand, den Banditen aus dessen augenblicklicher Stellung zu vertreiben. Daher beschloss er, sich eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Um Deckung zu haben, gab er, während er zu einer Gruppe von Bäumen rannte, die ungefähr dreißig Schritte weit am Rand einer Lichtung standen, in die Richtung, wo der Desperado war, eine Reihe von Schüssen ab.
Wenn es darum ging, die eigene Haut zu retten, konnte Duke sehr geduldig
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