033
dich!"
„Hast du unser Ehegelöbnis vergessen?" fragte Philip vorwurfsvoll. „Du weißt, dass ich dich liebe!"
„Ich liebe dich nicht mehr", entgegnete sie und seufzte gedehnt. „Manchmal war ich wirklich davon überzeugt, dass ich nie etwas für dich empfunden habe."
Er hatte das Gefühl, sie habe ihm einen Stich ins Herz versetzt, und fühlte sich erbleichen.
„Ich reise ab, sobald mein Gepäck gerichtet ist", verkündete sie gehässig.
„Und was soll aus unserem Sohn werden?" fragte er bedrückt.
Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern. In ihrem Herzen war nur Raum für ihre Eigensucht, und Clay für sie eher eine Plage denn ein Geschenk des Himmels.
Gewiss, er war ein hübscher Junge, aber ein Kind würde nur ein Hemmschuh für sie sein. „Er bleibt bei dir", antwortete sie leichthin. „Hier ist er gut aufgehoben."
„Um Gottes willen, Evaline! Überleg dir, was du tust!"
„Seit Monaten habe ich über nichts anderes mehr nachgedacht, Philip, und bin zu der Erkenntnis gelangt, dass ich nicht mehr arm sein will!"
„Ich lasse dich nicht fort!"
„Du kannst mich nicht aufhalten!" In der Annahme, er wolle sie daran hindern, ihn zu verlassen, verengte Evaline drohend die grauen Augen und schaute ihn mit glitzerndem Blick an. „Ich bin fest entschlossen, mich von dir zu trennen. Also versuch nicht, mich zurückzuhalten, und mach dir auch nicht die Mühe, mich zu verfolgen. Das würde dir nichts nützen."
Sie drehte Philip und ihrem bisherigen Leben den Rücken zu, verließ den Raum und schloss hinter sich die Tür. Zu ihrer Überraschung sah sie den Sohn vor sich.
„Du hast gelauscht?" Sie hatte gehofft, abreisen zu können, ohne ihn gesehen zu haben, begriff nun jedoch, dass sie ihm nicht aus dem Weg gehen konnte.
„Ja", antwortete er verwirrt.
„Gut!" erwiderte sie kalt und war froh darüber, dass er das Gespräch gehört hatte.
Jetzt musste sie ihm wenigstens nicht mehr alles erklären.
„Kann ich mit dir kommen?" fragte er hoffnungsvoll. In diesem Augenblick war seine Liebe zur Mutter stärker als zur Plantage und seinem Pferd.
„Nein!" sagte sie schroff, ohne die Bitte überhaupt in Betracht gezogen zu haben.
Das Letzte, was sie wollte, war ein sich an sie klammerndes Kind.
Ihre Ablehnung war so kurz angebunden und kalt gewesen, dass Clay in einen Aufruhr der Gefühle gestürzt wurde. Er ballte die Hände, um sich zu beherrschen.
„Warum nicht? Ich verspreche, mich gut zu benehmen", versicherte er aus ehrlicher Überzeugung. Er wollte nicht von ihr getrennt sein, sondern bei ihr bleiben, und verstand nicht, weshalb sie ihn nicht mehr um sich haben mochte.
„Ich habe Nein gesagt, Clay, und das ist mein letztes Wort in dieser Sache. Du bleibst hier bei deinem Vater." In Gedanken verdrängte Evaline ihn aus ihrem Leben und machte Anstalten, sich zu entfernen, doch weil er sie nicht gehen lassen wollte, klammerte er sich an ihren Arm.
„Habe ich etwas getan, das dich erzürnt hat? Falls das der Fall war, dann tut es mir Leid, Mutter."
Seine Anhänglichkeit war ihr zuwider, und brüsk schüttelte sie seine Hand ab. „Um Himmels willen, Clay, benimm dich wie ein Mann!" herrschte sie ihn barsch an. „Bei deinem Vater bist du gut aufgehoben."
„Aber ich möchte, dass auch du hier bist", äußerte er in kindlicher Beharrlichkeit.
„Manchmal bekommt man im Leben nicht das, was man sich wünscht, Clay", entgegnete Evaline hart.
„Aber, Mutter ..." , begann er, hielt indes angesichts ihrer gleichgültigen Miene betreten inne.
„Dein Vater wird sich um dich kümmern", sagte sie, ging ohne ein weiteres Wort oder eine tröstende Geste zur Treppe und stieg, ihren jungen Sohn im Stich lassend, die Stufen hinauf. Er starrte hinter ihr her. Sie machte sich nicht die Mühe, ihn noch eines Blickes zu würdigen. Das Leben, das sie hier hatte ertragen müssen, lag nun hinter ihr. Ihr ging es nur noch um ihre Zukunft, die so vielversprechend war.
Blass und erschüttert stand Philip steif mitten im Arbeitszimmer und bemühte sich, den Schock zu verarbeiten, den er soeben erlitten hatte. In wenigen Minuten war seine Welt zusammengestürzt. Evaline war stets sein ganzer Lebensinhalt gewesen, und nun . . .
Aus dem Bedürfnis, sich zu stärken, ging er zu der in einem Winkel des Raums stehenden Eckkonsole. Er verzichtete darauf, sich ein Glas zu nehmen, zog den Stöpsel aus der Karaffe mit dem Whisky und trank daraus. Verzweifelt überlegte er, während der Alkohol ihm brennend durch
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