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kennst ihn nicht?"
„Nein. Vor heute Abend habe ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Ich hoffe jedoch, ihn wieder zu sehen." Rose seufzte und wünschte sich, dass ein Mann wie er eines Tages auch ihr den Hof machen würde. Plötzlich merkte sie, dass sie ihren Wunschvorstellungen nachhing, und zwang sich zu sagen: „Wie dem auch sei, Mirabelle hat nur einen Blick auf ihn geworfen und geschworen, er sei der Richtige für sie."
„Oh nein! Nicht schon wieder!"
„Oh doch! Schon wieder!"
„Was hat sie gemacht?"
„Genau weiß ich das nicht. Ich habe den Ballsaal verlassen, als sie zu dem Mann ging."
Emilie wusste, er musste etwas sehr Besonderes sein, um Mirabelle zu bewegen, den erst vor einem Monat geleisteten Schwur zu brechen, bis an ihr Lebensende keinem Mann mehr offen nachzustellen.
Offensichtlich war sie anderen Sinnes geworden.
„Sie ist schön, und es gibt eine Menge Männer, die es genießen würden, ihre Aufmerksamkeit zu erregen."
„Ich weiß. Aber warum kann sie nicht warten, bis einer von ihnen sich für sie interessiert? Wieso muss immer sie diejenige sein, die den Anfang macht? Man sollte meinen, dass sie inzwischen ihre Lektion gelernt hat."
„Ich gestehe, dass dieser Mann mich neugierig macht. Er muss wundervoll sein, wenn sie seinetwegen das uns gegebene feierliche Versprechen bricht", meinte Emilie.
„Er ist hoch gewachsen, hat eine prächtige Figur und sieht gut aus", erwiderte Rose.
„Ich wüsste gern, woher er kommt."
„Ich habe keine Ahnung, wette jedoch, dass Mirabelle das bis zum Ende des Balls wissen wird."
„Sollen wir uns dieses Musterbeispiel männlicher Schönheit ansehen gehen?"
„Warum nicht?" äußerte Reina.
Sie wusste nicht, als sie Emilie und Miss Jackson die Treppe hinunter folgte, warum ihr plötzlich Mr. Cordeil einfiel. Sie nahm an, er sei ihr logischerweise in den Sinn gekommen, weil der von Miss Jackson beschriebene Mann ihm äußerlich so ähnlich zu sein schien. Der Kopfgeldjäger war ein sehr attraktiver Mann.
Unvermittelt tadelte sie sich der dummen Gedanken wegen. Er war ein angeheuerter Pistolenschütze, der einen Auftrag zu erledigen hatte. Das Einzige, was ihn interessiert hatte, war, sie zu finden und nach Hause zu bringen. Sie verdrängte die Gedanken an ihn, während sie einige Stufen hinter Miss Jackson und Emilie die Treppe hinunterschritt.
Sie erreichte die vorletzte Stufe in dem Moment, da die Musik ausklang. Aus irgendeinem Grund blieb sie stehen und schaute in den Ballsaal. Zu ihrem grenzenlosen Entsetzen blickte sie in ein graues Augenpaar.
Wiewohl Clay sich den Anschein gegeben hatte, sich wunderbar zu amüsieren, war er, derweil er mit Miss Mosley
tanzte, nicht besonders gut gelaunt gewesen. Sie war eine hübsche junge Frau, er jedoch nicht an einem wie immer gearteten Flirt interessiert. Er dachte nur an Miss Alvarez.
Jedes Mal, wenn er an die schrecklichen Folgen dachte, die durch das Verhalten dieser verzogenen kleinen Göre anderen Leuten verursacht worden waren, wurde seine Wut noch größer. Er wusste, die von ihm Gesuchte war nichts anderes als eine egoistische Hexe, und es werde ihm leichter ums Herz sein, wenn er sie so schnell wie möglich ihrem Vater übergeben konnte.
Da er Grund zu der Annahme hatte, sie könne beim Ball sein, war er begierig darauf, sie zu sehen. Er wollte die ganze Angelegenheit hinter sich wissen, sein Opfer stellen und so schnell wie möglich mit Miss Alvarez nach Kalifornien zurückkehren. Einen Plan hatte er sich bereits ausgedacht. Er musste sie nur noch finden.
Genau in dem Augenblick, da die Musik verklang und er Miss Mosley von der Tanzfläche geleitete, passierte es. Aus dem Augenwinkel nahm er im Atrium etwas Goldenes wahr und schaute dorthin. Auf der Treppe stand, noch einige Stufen vom Fußboden entfernt, das prächtige schwarze Haar modisch frisiert, in ein elegantes schulterfreies Kleid gehüllt, Schwester Maria Regina.
12. Kapitel
Clay erstarrte, und nur die eiserne, in vielen Jahren erworbene Selbstbeherrschung hielt ihn davon ab, sich in diesem Moment etwas anmerken zu lassen. Schwester Maria Regina? Zuerst vermochte er es nicht zu glauben, doch dann fasste er sich.
Schwester Maria Regina war hier und trug ein Ballkleid.
Plötzlich fügte sich ein Steinchen zum anderen, und Clay wurde klar, was geschehen war. Man hatte ihn an der Nase herumgeführt. Er war zum Narren gemacht worden.
Es gab keine Schwester Maria Regina. Er hatte die ganze Zeit Recht gehabt. Die liebe
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