033
war immer größer, schlanker
und besser aussehend gewesen. David war von kleinem Wuchs geblieben, sah durchschnittlich aus und hatte leider die Neigung der Randolphs zur Dicklichkeit geerbt. Clay hatte das Leben stets ernst genommen, wohingegen David voller Lebenslust gewesen war. Er war offen und spontan, Clay hingegen introvertiert und zurückhaltend. Dennoch waren sie als Kinder befreundet gewesen, und als sie sich nun wieder sahen, festigten sich die früheren Bande.
Sie schüttelten sich die Hand, und dann bat David den Freund ins Arbeitszimmer. Er nötigte ihm ein mit teurem Whisky gefülltes Glas auf, und gerührt von Davids unverbrüchlicher Freundschaft, trank Clay einen Schluck. Einen Augenblick lang wünschte er, er könne sich entspannen und den Abend genießen, vielleicht sogar Poker spielen und in guter Gesellschaft sowie bei ausgezeichneten Getränken die Stunden verstreichen lassen. Doch die Gedanken an Devlin, der eingesperrt und verzweifelt auf seine Hilfe angewiesen war, ließen ihn sich nicht lockern.
Er konzentrierte sich ganz auf den eigentlichen Grund für seine Anwesenheit und achtete besonders gut auf die Namen, als David ihn im vom Zigarrenrauch verqualmten Spielsalon die anwesenden Herren vorstellte. Er erwiderte ihre Begrüßungen, hatte indes Mühe, die Enttäuschung zu verhehlen, da unter den Versammelten kein Delacroix war. Auf Davids Drängen hin erzählte er ihm von Kalifornien, vermied jedoch jeden Hinweis auf seine wahre berufliche Tätigkeit und den eigentlichen Grund für seine Rückkehr nach Louisiana.
Lucien hatte die Zeit damit zugebracht, im Ballsaal mit allen anderen verfügbaren jungen Frauen zu tanzen und dabei ungeduldig auf Miss Nunez' Rückkehr gewartet.
Als er hörte, dass Clay Cordell, ein Freund aus der Kindheit, gekommen sei, entschuldigte er sich jedoch bei seiner Partnerin und suchte ihn sogleich im Arbeitszimmer auf.
„Lucien!" begrüßte David ihn. „Clay ist zurück!"
„Das habe ich gehört. Wie viele Jahre sind vergangen?" Lucien eilte in den Raum und gesellte sich zu den Freunden.
„Ich befürchte, zu viele", antwortete Clay und schüttelte ihm die Hand. Luciens Ruf als Frauenheld war legendär. Schon vor Jahren, als Clay die Ranch verlassen hatte, war der junge Mann sehr weltgewandt gewesen. Clay konnte nicht widerstehen, die Sprache darauf zu bringen. „Wo ist deine heutige Begleiterin, oder hast du alle Frauenherzen gebrochen und geheiratet?"
„Noch bin ich nicht verheiratet, Clay", vertraute der unbekümmerte Casanova dem Freund an. „Aber ich schwöre, dass die Frau, die mein Herz gewinnen könnte, heute Abend anwesend ist."
Clay und David brachen in Lachen aus und erinnerten sich all der anderen Gelegenheiten, bei denen Lucien behauptet hatte, wahnsinnig verliebt zu sein.
„Die Dinge haben sich nicht sehr geändert", brachte Clay lachend heraus.
„Dieses Mal ist alles ganz anders", behauptete Lucien.
„Ach, wirklich?" warf David grinsend ein. „Und wer ist dieses Musterbeispiel an Tugend? Vielleicht sollten Clay und ich einen Blick auf die Betreffende werfen."
„Die hübsche Miss Nunez, und ich gebe euch beiden zu verstehen, dass ihr euch ihr fern zu halten habt! Sie gehört mir!"
„Sie ist hübsch", stimmte David zu. „Als ich sie jedoch vorhin sah, hatte ich den eindeutigen Eindruck, dass sie noch nicht gewillt ist, sich nur an einen Mann zu binden."
„Es stimmt, sie stellt eine ziemliche Herausforderung dar", räumte Lucien widerstrebend ein. „Sie ist so schwer zu fangen wie ein Schmetterling."
„Mit dem richtigen Netz kann man auch einen Schmetterling einfangen", meinte David.
Clay hatte dem gutmütigen Geplänkel zugehört und fragte nun beiläufig: „Wer ist sie? Kenne ich sie?" Er kannte die meisten Leute der Gegend, hatte jedoch noch nie etwas von einer Familie Nunez gehört.
„Nein", antwortete David. „Sie ist bei Verwandten zu Besuch."
Nach dieser Neuigkeit war Clays Interesse geweckt. Eine Besucherin von außerhalb der Stadt? Er musste sich nach ihr erkundigen. „Mit wem ist sie verwandt?"
„Mit den Delacroix'", antwortete Lucien.
Clay musste sich zwingen, die Erregung nicht zu zeigen.
Da Miss Alvarez gerissen genug gewesen war, unbehelligt aus Kalifornien zu verschwinden, war sie bestimmt auch so klug, daran zu denken, in Louisiana unter anderem Namen aufzutreten. Clay bemühte sich, so gelassen wie möglich zu wirken, und schlug vor: „Warum begeben wir uns nicht in den Ballsaal, damit ich
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