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nicht."
Die Kutsche fuhr an und gewann an Geschwindigkeit.
Clay lehnte sich an das Samtpolster und überlegte seine nächsten Schritte. Er wusste, alles musste genau nach Plan verlaufen, denn sonst bekam er großen Ärger.
In der Stadt würde es keinen guten Eindruck machen, wenn er gezwungen war, die schreiende, sich heftig wehrende Miss Alvarez an Bord der „Crosswinds" zu tragen.
Er musste den Dampfer erreichen, ehe sie wach wurde, und hoffte inständig, sie möge genügend von dem mit Laudanum versetzten Wein getrunken haben.
Er blickte zu ihr. Sie saß verrenkt in der Wagenecke, und er fand, diese Stellung müsse äußerst unbequem für sie sein. Aus einem ihm unerfindlichen Grund setzte er sich neben sie, hob sie sich sacht auf den Schoß und hielt sie an die Brust gedrückt, während die Kutsche das erste Stück des Rückweges nach Kalifornien hinter sich brachte.
15. Kapitel
Reina machte die Augen auf und schloss sie rasch wieder, weil ihr schrecklich übel war. Sie fühlte sich so krank, dass sie reglos liegen blieb, während sie tief durchatmete.
„Emilie?" rief sie und hörte erschrocken, dass sie nur ein leises Krächzen hervorgebracht hatte. Da niemand auf ihr Rufen reagierte, vermutete sie, dass die Freundin sie nicht gehört habe. Doch gewiss war Emilie in der Nähe.
„Emilie?" versuchte Reina es ein zweites Mal, diesmal etwas lauter, und vernahm ein kratzendes Geräusch, wie von einem Stuhl, der über den Fußboden scharrte. Sie entspannte sich etwas und fühlte sich wohler, weil sie nun wusste, dass die Freundin bei ihr war. „Ich weiß nicht, was mit mir nicht stimmt, aber ..."
Mühsam war es ihr gelungen, beim Sprechen erneut die Lider aufzuschlagen, und da sie Clay, aber nicht Emilie beim Bett sitzen sah, hatte sie mitten im Satz innegehalten.
„Clay?" fragte sie verwirrt und überlegte, warum er sich in ihrem Schlafzimmer befand. Rasch ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und stellte bestürzt fest, dass nichts ihr vertraut war. Sie befand sich nicht in ihrem Schlafzimmer. Aber wenn sie nicht in ihrem Schlafzimmer war, in wessen lag sie dann? Wo war sie? Verwirrt versuchte sie, sich zu erinnern und klarer zu denken.
„Es freut mich zu sehen, dass Sie schließlich unter die Lebenden zurückgekehrt sind", äußerte Clay und schenkte ihr ein breites Lächeln. Er hatte den größten Teil des Tages an ihrem Bett sitzend zugebracht und darauf gewartet, dass sie zu sich kam. Nun war er froh darüber, dass die Wirkung des Laudanums nachgelassen hatte. Er freute sich jedoch nicht auf den Zornesausbruch, der bestimmt erfolgte.
„Was ist passiert?" Verschwommen erinnerte Reina sich des Picknicks. „Bin ich bei dem Ausflug krank geworden? Wo bin ich?"
„Auf einem Dampfer", lautete die sie irritierende Antwort.
Weshalb befand sie sich auf einem Schiff? Ihr dröhnte der Schädel, und je mehr sie sich bemühte, klarer zu denken, desto verwirrender fand sie die Situation. Sie versuchte, die Hand zu heben, um sich die schmerzende Schläfe zu reiben, merkte jedoch zu ihrem Entsetzen, dass man ihr die Arme am Bett festgebunden hatte. In diesem Augenblick wurde ihr alles klar. Die Flucht war zu Ende. Mr. Cordell wusste Bescheid! Er kannte die Wahrheit.
„Sie wissen Bescheid!" flüsterte Reina.
„Oh ja, Miss Alvarez. Ich weiß Bescheid", erwiderte er schroff. „Ich wusste sofort, wer Sie sind, als ich Sie bei den Randolphs sah."
Vor Peinlichkeit hätte sie beinahe laut aufgestöhnt. Vollständig gedemütigt, überlegte sie, wie sie so dumm hatte sein können zu glauben, er habe sie nicht erkannt. Wie naiv und einfältig sie gewesen war! „Sie haben sich jedoch so benommen, als ..."
„Ich habe eine Rolle gespielt, Miss Alvarez, und von einer vorzüglichen Lehrmeisterin, nämlich von Ihnen, gelernt, wie man das macht. Sie sollten wirklich darüber nachdenken, Schauspielunterricht zu geben", setzte er boshaft hinzu. „In der Postkutsche habe ich mich restlos täuschen lassen. Das war eine wunderbare Verkleidung, Schwester Maria Regina. Sie haben mich glauben gemacht, Sie seien eine keusche junge Frau, die ihr Leben in den Dienst Gottes und der Bedürftigen gestellt hat. Das beweist nur, wie sehr man sich in manchen Menschen irren kann."
In diesem Moment fiel Reina ein, was Mr. Cordell gesagt hatte, ehe sie bewusstlos geworden war. „Wäre ich ein frommer Mensch, Isabel, würde ich schwören, Gott habe mir seinen Segen gegeben, damit ich dich finde. Du musst mir wirklich von
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