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dass sie ihm die ganze Zeit etwas vorgemacht hatte. Sie war niedergeschmettert. „Aber ich habe Ihnen geglaubt."
Das hatte so ehrlich geklungen, dass er einen Moment lang beinahe davon überzeugt war, sie habe die Wahrheit gesagt. Im letzten Augenblick fiel ihm jedoch ein, wen er vor sich hatte, und daher lachte er verächtlich auf. „Natürlich haben Sie mir geglaubt, Miss Alvarez", äußerte er abfällig. „Spielen Sie jetzt eine neue Rolle?
Wie viele Lügen wollen Sie mir noch auftischen?"
Die Frage kränkte Reina. „Das werden Sie nie erfahren."
„Genau deshalb will ich, ehe ich Sie losbinde, Ihr Ehrenwort haben, dass Sie sich ordentlich benehmen werden. Es würde mich wirklich nicht stören, wenn Sie weiterhin ans Bett gefesselt sind, doch das könnte sich als etwas heikel erweisen, nämlich dann, wenn der Kapitän sich wundert, warum Sie nie die Kabine verlassen."
„Sie sind abscheulich und widerlich."
Mr. Cordeil zuckte nur mit den Schultern, als ob es ihm gleich sei, was Reina von ihm dachte. „Entschlossenheit ist eine meiner herausragenden Eigenschaften, Miss Alvarez. Das müssten Sie in der Zwischenzeit längst gemerkt haben."
Reina verspürte Angst und versuchte, klar zu denken. „Was ist mit Miss Delacroix?
Sie wird sich um mich Sorgen machen. Ich wette, die ganze Familie sucht bereits nach mir."
„Das bezweifele ich", entgegnete Clay, sichtlich nicht beunruhigt darüber, ein Trupp Delacroix' könne die ganze Gegend nach ihr absuchen.
„Wieso?" flüsterte Reina und ahnte, er habe irgendwie auch dafür gesorgt, dass man nicht nach ihr suchte.
„Miss Delacroix hat von mir einen wundervollen Brief bekommen, in dem ich ihr mitteilte, dass Sie und ich durchgebrannt und miteinander sehr glücklich sind."
„Das haben Sie nicht gewagt!"
„Oh, doch!"
„Sie können nicht wissen, ob Miss Delacroix das glaubt!"
Verzweifelt klammerte Reina sich an diesen Strohhalm, befürchtete jedoch im gleichen Moment, Emilie habe diese Lüge wahrscheinlich geglaubt. Schließlich hatte sie ihr
im Scherz gesagt, sie würde, falls die Umstände es erforderten, mit Mr. Cordell durchbrennen. Sie hätte sich ohrfeigen können, weil sie diese dumme Andeutung gemacht hatte. Wäre sie nicht so töricht gewesen, würde Emilie jetzt vielleicht argwöhnen, etwas sei nicht in Ordnung. Doch nun nahm die Freundin vermutlich an, dass sie, Reina, außerordentlich glücklich sei.
„Sie hat mir geglaubt", erwiderte Clay trocken. „Mehr noch, sie hat mir unverzüglich einen Koffer mit Ihren Sachen zustellen lassen."
„Sobald sie die Wahrheit erfährt, wird sie dafür sorgen, dass man nach mir sucht!"
rief Reina zornig aus. Sie wusste, dass sie in der Falle saß.
„Na, und? Soll sie das doch veranlassen", sagte Clay boshaft. „Selbst wenn man versuchen sollte, Sie aufzufinden, ist es dafür bereits zu spät. Wir haben einen großen Vorsprung, so dass wir längst in Kalifornien und bei Ihrem Vater sind, ehe die Verfolger auch nur in unsere Nähe geraten."
„Wirklich! Sie sind ein . . ." Wütend starrte Reina Mr. Cordell an an. Da sie ihn nun mit anderen Augen sah, konnte sie sich nicht vorstellen, wieso sie ihn früher so wundervoll gefunden hatte. Jetzt wirkte er ausgesprochen diabolisch auf sie.
Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch. „Was wollten Sie sagen, Miss Alvarez?"
Erbost wandte sie den Blick von ihm ab. Sie zitterte vor Zorn, weil sie wusste, dass Mr. Cordell die Situation genoss. Sie begriff, dass die einzige Möglichkeit, sich zu retten, darin bestand, sich so gut wie möglich zu beherrschen und ihre Lage sachlich zu beurteilen. Da Mr. Cordell Kopfgeldjäger war, würde er bestimmt umgänglicher werden, wenn von Geld die Rede war.
Verzweifelt brachte sie das einzige Argument vor, das vielleicht zum Erfolg führte:
„Hören Sie! Warum schließen wir keinen Handel ab?"
Gelassen schaute er sie an. Sein Blick war kalt und wachsam. Da er sie kannte, hatte er nicht erwartet, dass sie sich kampflos geschlagen geben würde. Er hatte damit gerechnet, dass sie ihm einen Handel vorschlagen würde, und erwartete mehr, sehr viel mehr. „Welche Art Handel?"
„Ich habe Geld. Wie viel zahlt mein Vater Ihnen? Ich verdoppele den Betrag. Lassen Sie mich frei."
Clay erkannte, er hätte wissen müssen, dass sie über Geld reden wollte. Aber bei dieser Sache war Geld nicht von Bedeutung.
„Es tut mir Leid", sagte er barsch. Dev war der einzige Grund, weshalb er Miss Alvarez verfolgt hatte. Dev war der
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