0330 - Der Todesclub
diesen Gegenstand berührt haben, und wenn man diese Papillarlinien noch sichtbar machen muss, dann nennt man das Fingerspuren.«
»Ach so! Und solche Fingerspuren kann man auf den Bogen sichtbar machen?«
»Vorausgesetzt, dass überhaupt welche vorhanden sind, ja.«
»Aber wer auch immer diese Briefe geschrieben haben mag, er muss sie ja berührt haben!«
»Sicher. Aber er kann Handschuhe getragen oder das Papier zum Schluss gründlich abgewischt haben.«
»Wenn die Briefe nun aber schon ein paar Tage oder gar ein paar Wochen alt sind?«
»Das würde keine Rolle spielen. Fingerspuren halten sich oft unwahrscheinlich lange.«
Sie nickte und betrachtete die Briefe.
Ich hielt sie vorsichtig an einer Ecke.
Wir gingen wieder hinunter, und Mrs. Goefield schenkte uns erneut Kaffee ein.
»Kennen Sie eigentlich einen jungen Mann namens Bernhard G. Cranzler?«, fragte ich.
»Das muss er sein!«, rief die Frau lebhaft. »Bestimmt, das ist er!«
Ihr Gesicht hatte sich gerötet, und in ihren Augen stand ein lebhafter Glanz, während zugleich ein versonnenes Lächeln um ihre Lippen spielte.
»Wer muss es sein?«, erkundigte ich mich gespannt.
»Ich fürchte: Bewerber Nummer eins für Vicky.«
»Warum fürchten Sie es?«
»Oh, nicht, weil ich etwas gegen den jungen Mann hätte. Ich kenne ihn ja noch nicht einmal. Aber jede Mutter fürchtet sich vor dem Tag, da sich ihre Kinder endgültig selbstständig machen.«
»Ich verstehe«, murmelte ich. »Warum glauben Sie, dass Cranzler jener junge Mann sein müsste, der Ihrer Tochter vielleicht nahestehen könnte?«
Sie lächelte wieder.
»Als Mutter spürt man so etwas doch. Vicky ist verliebt, das ist ganz sicher. Sehr verliebt sogar. Es äußert sich bei ihr zwar etwas anders, als ich erwartet hatte, aber das liegt vielleicht an den jungen Leuten. Die Zeiten haben sich geändert. Jedenfalls sprach sie gelegentlich von einem gewissen Berny, und weil sie sich soviel Mühe gab, möglichst gleichmütig von ihm zu sprechen, wusste ich sofort, dass er ihr eben keineswegs gleichgültig ist.«
»Haben Sie mit Ihrem Mann darüber gesprochen?«
»Oh, aber natürlich. Er ist tagsüber zwar sehr beschäftigt, aber am Abend widmet er sich der Familie. Er hat die Fähigkeit, yöllig vom Geschäft abzuschalten. Das ist eine sehr wertvolle Fähigkeit, glaube ich.«
»Was sagte Ihr Mann zu diesem Thema?«
»Zu Berny? Oh, er wusste mehr als ich. Das hat mich sehr überrascht, denn Männer spüren solche Dinge doch meist später als Frauen. Aber es gab eine einfache Erklärung dafür, warum mein Mann diesmal schneller etwas ahnte als ich. Berny hat nämlich schon viermal in einem Betrieb gearbeitet, der meinem Mann gehört. Der junge Mann verdiente sich damit das Geld für sein Studium, das erfuhr mein Mann. Und da er sich immer ins Gedächtnis zurückruft, dass sein eigener Vater sich durchhungern musste, hat mein Mann eine sehr große Achtung vor jungen Leuten, die sich mit großen Opfern eine Zukunft aufbauen. George erzählte mir, dass er sich erkundigt habe - bei der Universität. Die Auskunft war sehr positiv, Berny wird als ein sehr begabter, junger Mann geschildert.«
Ich hatte aufmerksam zugehört. Die Tatsache, dass Cranzler mit Violence Goefield eng befreundet war, konnte eine neue Perspektive des Falles bedeuten.
»Hätten Sie oder Ihr Mann etwas gegen eine dauernde Verbindung zwischen diesem Berny und Ihrer Tochter eingewandt?«
»Aber nein! Warum sollten wir? Wenn der junge Mann als Mensch akzeptabel war, also charakterlich, und wenn Vicky ihn liebt - was hätten wir dagegen haben sollen?«
»Zum Beispiel die Tatsache, dass er offenbar keinerlei Vermögen hat.«
»Geld allein macht nicht glücklich, Mr. Cotton. Außerdem kann man es erwerben, wenn man tüchtig ist. Und nach allem, was mein Mann erzählte, gehört dieser junge Mann zu den Tüchtigen. Etwas Besseres können wir uns für Vicky nicht wünschen, finde ich.«
»Ihr Mann denkt genauso?«
»Ganz gewiss. Wie gesagt, sein Vater fing selbst ganz unten an, und er hat das nie vergessen.«
***
Ich drückte die Zigarette aus. Mein Kaffee war ausgetrunken. Ich hatte alle Fragen gestellt, die mich beim augenblicklichen Stand der Dinge interessieren konnten. Es gab keine Ausflucht mehr, die bittere Wahrheit musste ausgesprochen werden. Wenn ich nur einen Anfang gewusst hätte…
»Etwas bedrückt Sie, Mr. Cotton«, sagte die Frau.
»Das ist wahr«, gab ich zu. »Und es ist etwas Fürchterliches.«
Ihre
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