0333 - Drei Herzen aus Eis
verabschieden, er hätte uns kaum gehört, und so schlichen wir praktisch aus dem Zimmer. Auch der Arzt verschwand. Er wollte einer Krankenschwester Bescheid geben, damit sie sich um den jungen Mann kümmerte.
Suko hatte das Foto mitgenommen. Er hielt es zwischen den Fingern, starrte es an, und ich hatte das Gefühl, als würde er es überhaupt nicht sehen.
Wir waren einen gewaltigen Schritt weitergekommen, wußten jetzt, wer der Mörder war, aber wir konnten nichts tun, da wir keine Beweise hatten und ihn auch nicht packen würden, weil wir ihn nicht kannten.
Die Aufnahme war einfach zu schlecht, zu verschwommen oder verwaschen. Da war es nicht möglich, noch etwas gegen ihn zu unternehmen. Zudem glaubten wir beide nicht, daß sich dieser Pierre noch in London aufhielt. Wahrscheinlich befand er sich längst auf dem Weg nach Paris, in seinem Gepäck die schaurigen Dinge.
»Was sagst du dazu, John?«
Ich hob die Schultern. »Meiner Meinung nach sollten wir mal wieder nach Paris fahren.«
Suko zog das Gesicht kraus. Mit dieser Stadt verbanden uns unangenehme Erinnerungen. Nicht nur gegen Belphegor hatten wir dort gekämpft, auch gegen den Horror auf der Schönheitsfarm und gegen die Mannequins mit Mörderaugen. In Paris war die jetzt erledigte Lady X zu einem Vampir geworden, und in Paris hatten wir uns mit dem Hexer herumschlagen müssen, der uns damals in die Mikrowelt geschickt hatte.
Die Fälle, die in der Seine-Metropole spielten, waren uns stets an die Nerven gegangen.
»Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig.«
Ich gab meinem Partner recht. »Wichtig ist nur, daß wir diesen Pierre finden.«
»Mit oder ohne offizielle Begleitung. Dieser Paul Meurisse wird nicht gerade begeistert sein.«
Da sagte er etwas. Meurisse konnte man als einen Geheimagenten bezeichnen. Wir hatten ihn bei dem Fall kennengelernt, als es um die Schönheitsfarm in Clichy gegangen war.
»Er könnte uns zumindest dabei behilflich sein, diesen Pierre aufzustöbern«, sagte ich.
»Falls wir es nicht schon vorher schaffen.«
»Natürlich.«
Wenig später saßen wir wieder in unserem Büro zusammen und dachten beide laut nach. Wir kamen zu der Überzeugung, noch einmal die Wohnungen der drei toten Mädchen zu durchsuchen.
Möglicherweise fanden wir auch bei Karen und Sabrina eine Spur, die heiß genug war, um uns auf Pierre hinzuweisen.
Eine Reise mußte abgesprochen werden. Als wir Sir James die Fakten auf den Tisch legten, hatte er nichts dagegen.
»Fahren Sie«, sagte er mit leiser, aber entschlossener Stimme.
»Und holen Sie diesen verdammten Killer…«
Wir würden unser Bestes tun…
***
Der Raum war finster. Es roch nach Kerzenwachs, Feuchtigkeit, nach Verbranntem und fauligem Wasser. Über eine alte Steintreppe konnte man ihn erreichen. Sie gehörte zu den beiden Verbindungen, über die man den Raum verlassen und die Oberwelt wieder besteigen konnte.
Der Mann, der in diesem Verlies seinen Arbeitsplatz eingerichtet hatte, wollte nicht mehr an die Oberwelt. Ihm gefiel es in der Tiefe, da war er allein, da wurde er nicht gestört, da konnte er schalten und walten, wie er wollte.
Der Mann war gefährlich.
Man konnte ihn als Killer, als Mörder bezeichnen oder als ein menschliches Scheusal.
Der Mann war Pierre!
Wie Frankenstein kam er sich nicht gerade vor, obwohl er ein wenig von ihm mitbekommen hatte, denn er dachte stets an die Experimente, die er durchführte. Wenn er genauer darüber nachdachte, besaßen sie ebenfalls einen Frankenstein-Touch, aber er harmonierte mehr mit dem Herrn der Hölle, und er wußte nicht, ob dieser Frankenstein das auch getan hatte. Darüber dachte er nicht nach, da er seine eigenen Probleme hatte und sich darum kümmern mußte, denn er stand bereits dicht vor dem Abschluß.
Das Wichtigste war von ihm beschafft worden.
Die drei Herzen!
Er lachte leise, als er daran dachte. Wenn diese Mädchen damals geahnt hätten, aus welch einem Grund er sich an sie herangemacht hatte, sie hätten ihn wohl fluchtartig verlassen, so aber war er nach London gekommen und hatte sie überraschen können.
An diese tödliche Überraschung würde er noch lange denken. Sie war perfekt gewesen. Noch jetzt sah er die erschreckten Gesichter, als sie merkten, welch ein Grund ihn jeweils in die entsprechenden Wohnungen geführt hatte.
Wie ein Geist schlich er die alte Steintreppe hinunter. Es war ein reiner Zufall gewesen, daß er dieses Verlies entdeckt hatte. Zudem lag es noch günstig, direkt unter einem
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