0333 - Drei Herzen aus Eis
Angst steigerte sich noch mehr. Als Reaktion hatte sie die Hände geballt. Die Fingernägel stachen in ihr Fleisch und drückten so tief, daß Blut kam.
Dann wanderte die Klinge. Der Mann nahm die Hand zurück, so daß die Spitze des Messers nicht mehr auf Angies Kehle, sondern dorthin wies, wo in der Brust das Herz schlug.
Ein kurzer Schnitt.
Angie bekam ihn gar nicht mit. Sie sah, daß auch der letzte Stoffrest sich löste, und der Mann gierig auf ihren Oberkörper starrte.
Angie wußte trotz der Angst, was der andere wollte. Sie hatte schon des Öfteren gelesen, daß eine Frau, die vergewaltigt werden sollte, sich nicht wehren durfte.
Daran hielt sie sich.
»Ich schreie nicht«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Bitte, ich werde nicht rufen und mich nicht wehren. Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
Der Mann nickte. »Das werde ich auch«, sagte er kalt…
Genau zehn Minuten später fand Angies Mutter die Tote. Die Frau drehte durch und bekam einen Schock. Nachbarn fanden sie über dem Körper der jungen Angie liegend.
Beide waren blutbesudelt…
***
In den nächsten Stunden beschäftigten wir uns mit der Person dieser Sabrina Page.
Wir befragten die Hausbewohner, wollten wissen, welch einen Lebenswandel sie geführt hatte und erfuhren so gut wie nichts. Nur eben den üblichen Klatsch.
Es waren die älteren Frauen, die über das Mädchen herzogen und ihm einen unsteten Lebenswandel nachsagten.
»Hatte sie mehrere Freunde?« fragte Suko.
»Natürlich.«
»Keinen Favoriten?«
»Nein.«
»Und was hat sie so getrieben?«
»Alles und nichts. Sie war vor einigen Wochen mal in Paris«, erklärte die Frau im Kittel und schüttelte den Kopf, während sie auf ihren Staubsauger starrte. »Was sich die jungen Leute alles so leisten können, ich begreife das nicht.«
»Eine Fahrt nach Paris ist heutzutage nicht mehr so teuer«, verteidigte Suko die Tote.
»Aber Paris – hören Sie, Inspektor…«
Ich winkte ab. Von der Frau erfuhren wir nichts. Aber die Wohnung wollten wir uns anschauen.
Mit den Kollegen von der Mordkommission hatten wir bereits gesprochen. Es machte ihnen nichts aus, wenn wir das Polizeisiegel an der Tür brachen.
Die Wohnung war klein. Ein Apartment, bestehend aus zwei Räumen, wobei der Duschraum so winzig war, daß man sich kaum drehen konnte. Mir jedenfalls wäre es schwergefallen.
Die Kollegen hatten das Apartment zwar durchsucht, aber nicht in Unordnung gebracht. Wir zogen Schubladen auf, schauten unter dem Bett nach und sahen in Schrankfächer.
Nichts wies auf ein Motiv hin, das der unbekannte Mörder gehabt haben konnte.
Ich war ratlos. Suko erging es ebenfalls so. Ihm fiel noch ein Fotoalbum in die Hände, das oben im letzten Regalfach lag. Suko setzte sich auf den Leinensessel, schlug das Album auf und hielt es so, daß ich auch mitschauen konnte.
Es waren die üblichen Fotos, die man in diese und ähnliche Alben einklebte.
Der Entwicklungsweg eines jungen Mädchens lag genau vor uns.
Wir sahen Sabrina als Kind, mal mit Eltern, mal ohne, dann inmitten von Freundinnen und wenig später schon als Teenager. Ein netter Backfisch mit einem strahlenden Lächeln.
Die ersten Freunde tauchten auf. Urlaubsfotos mit viel Sonne, Strand und lachenden, jungen Menschen.
Auf der vorletzten Seite fanden wir noch ein Bild. Die Aufnahme war in diesem Jahr geschossen worden, und sie zeigte drei junge Mädchen in Paris, denn im Hintergrund sahen wir den Eiffelturm.
Am Bildrand entdeckten wir noch einen Mann, von dem nur das Profil zu sehen war, weil er sich im Moment der Aufnahme umdrehte. Wahrscheinlich wollte er nicht fotografiert werden.
Ob er zu den Mädchen gehörte, wußten wir nicht. Suko nahm das Bild heraus und drehte es um.
Sabrina hatte die Rückseite beschriftet.
»Wir in Paris«, las Suko laut vor. »Angie, Karen und ich. Er wollte sich nicht fotografieren lassen.«
»Mit dem Wort er ist wohl der Mann gemeint, der sich da abgewendet hat«, sagte ich.
»Das kann sein.«
»Weshalb interessiert dich das Bild so sehr?« fragte ich meinen Partner.
Suko hob die Schultern. »Kann ich dir auch nicht sagen. Immerhin haben wir neue Gesichter gesehen.«
»Auch das des Killers?«
»Schön wär’s.«
Ich sah, wie Suko das Bild einsteckte. »Weshalb nimmst du es mit?«
»Vielleicht können uns die beiden Freundinnen mehr sagen.«
»Dazu müßte man sie finden.«
»Das schaffen wir schon.« Suko legte einen ungemein starken Optimismus an den Tag, der mich überraschte.
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