0336 - Die Geburt des Schwarzen Tod
wurden.
Der Spuk war vorüber…
Zu begreifen war es für das Mädchen kaum. Ich half Claudine auf die Füße. Sie schaute mich mit einem Blick an, der nach innen gekehrt war und darauf schließen ließ, daß sie über das erlebte Phänomen nachdachte.
»Was… was war das?« Ihre Stimme klang tonlos, als sie mich dies fragte.
»Die Horror-Reiter!«
»Du kennst sie?«
»Ja, es sind die, die man auch die Reiter der Apokalypse nennt und die das Unheil über die Menschen gebracht haben. Albrecht Dürer hat darüber ein berühmtes Bild gemalt. Ich weiß nicht, ob du es kennst.«
»Ja, das kenne ich«, erwiderte das Mädchen. »Und die gibt es wirklich?« setzte sie noch eine Frage nach.
»Du hast sie eben gesehen.«
Claudine atmete sehr tief ein. Dabei schloß sie die Augen. Ich sah sie wanken und stützte sie ab. Es war auch schwer für sie, so etwas zu begreifen, und ich dachte daran, wie ich den Horror-Reitern zum erstenmal begegnet war. Auch mich hatte der Anblick damals geschockt.
Wir hatten Glück gehabt, daß wir hinter dem Baumstamm Deckung gefunden hatten. Wären wir dort stehengeblieben, wo wir zuerst gewesen waren, hätten uns die Tiere buchstäblich zu Boden geritten.
Von uns wäre nicht viel zurückgeblieben.
Ich schaute dorthin, wo die vier verschwunden waren. Auch das Mädchen folgte meinem Blick. Ihrem Mund entrang sich ein »Mein Gott, welch eine Verwüstung.«
Da hatte Claudine recht.
Wo die Reiter hergeritten waren, erkannten wir eine Spur aus Tod, Vernichtung und Grauen. Die aus den Mäulern und Nüstern schlagenden Flammen hatten alles, was sich ihnen in den Weg stellte, verbrannt. Wenn Bäume oder andere Gewächse standen, waren es nur mehr schwarze verkohlte Klumpen oder Reste, wie sie in eine Landschaft nach dem großen Atomkrieg gepaßt hätten.
Furchtbar…
Hin und wieder flackerten noch kleine Brände auf. Die Gegenstände, die sie verbrannten, erzeugten Qualm, der, von einem für uns kaum spürbaren Wind getragen, uns entgegenwehte und einen Gestank abgab, als wäre dieser in der Hölle entstanden.
Tote, verbrannte Erde…
Aber irgendwann würde sich der Sumpf oder der Dschungel wieder erholen und mit seiner schnell wachsenden Pflanzenwelt all das verdecken, was verbrannt worden war.
»Hast du denn eine Erklärung für das Auftauchen dieser Reiter?« fragte mich Claudine.
»Nein, die habe ich nicht. Ich kann darüber nur mehr spekulieren.«
»Und was wäre das?«
»Es ist möglich, daß uns die Reiter zu unserem eigentlichen Ziel führen.«
»Was wäre denn das?«
»Der Geburtsort des Schwarzen Tods!«
Verständnislos blickte sie mir ins Gesicht und hob dabei die Schultern.
»Ich habe den Namen schon gehört. Was ist denn so Schlimmes an dem Schwarzen Tod?«
»Für dich, Claudine, möchte ich hoffen, daß du ihn niemals so sehen wirst, wie er wirklich ist.«
»Sag es mir trotzdem.«
Ja, es war besser, wenn ich das tat. Dann würde ihr Erschrecken später nicht so gewaltig sein.
»Der Schwarze Tod ist ein gewaltiges, unheimliches, übergroßes, dunkles Skelett. Der Sage nach sollen ihn mächtige Dämonen, die Großen Alten, erschaffen haben. Seine Blütezeit erlebte der Schwarze Tod in dem längst versunkenen Kontinent Atlantis. Aber er hat versucht, seine magische Kraft hinüber in unsere Zeit zu retten, und es ist ihm auch gelungen. Ich kämpfte einige Monate gegen ihn, bis es mir gelang, ihn zu vernichten.«
»Und jetzt sollen wir seine Geburt erleben?«
»So sieht es aus, denn du darfst nicht vergessen, daß wir uns tief in der Vergangenheit befinden.«
»Das ist es ja, was ich noch immer nicht fassen kann«, gab das Mädchen leise zu.
So sehr mich das Auftauchen der Horror-Reiter im ersten Augenblick auch erschreckt hatte, ich gewann diesen Dämonen eine positive Seite ab. Wenn wir ihrer Spur nachgingen, würde sie uns bestimmt ans Ziel führen.
Das sagte ich auch Claudine. Jetzt lächelte sie sogar, bevor sie die Antwort gab. »Ich glaube, uns bleibt nichts anderes übrig.«
»Das stimmt leider.« Als ich sie anschaute, wurde ich an eine junge Frau namens Claudia Darwood erinnert. Mit ihr zusammen hatte es mich in die gnadenlose Welt des Dämons Okastra verschlagen. Auch sie hatte mir zur Seite gestanden – und überlebt. [4]
Hoffentlich brachte ich auch dieses Mädchen sicher nach Hause.
Die Spur der Horror-Reiter war einfach nicht zu übersehen. Die vier hatten eine regelrechte Bresche in den Dschungel geschlagen.
Kein aufrecht stehender Baum
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