0336 - Nachts sind alle Gangster grau
Kaffee hinunter.
Der Besitzer des Lokals starrte uns über die Theke an, als habe er noch nie in seinem Leben zwei hungrige Männer gesehen.
Er war ein vertrockneter, grauhaariger Alter, mit hellen, wasserblauen Augen, die uns keine Minute unbeobachtet ließen.
Erst als es ans Bezahlen ging, schien er Mut gefasst zu haben, uns anzusprechen.
»Sie müssen wohl die Gents vom FBI sein, die den Killer fangen wollen?«, erkundigte er sich neugierig.
Ich blickte Phil mit gerunzelter Stirn an. Sheriff Baxter hatte recht. In Rockrift blieb ein Geheimnis nicht lange verborgen.
»Stimmt«, erwiderte ich. »Sie können uns vielleicht helfen, Mister. Wie kommen wir am schnellsten zur Orlando Farm?«
Der Alte nickte zufrieden.
»Dann stimmt es also, dass ihr hinter Jack Orlando her seid?«, forschte er weiter, und diese Frage war noch verwunderlicher, denn in den letzten zehn Minuten hatte niemand das Lokal betreten und trotzdem wusste der Alte fast so viel wie wir.
»Kann möglich sein«, gab ich zögernd zu. »Woher haben Sie die Neuigkeiten erfahren?«
Der Alte kicherte zufrieden vor sich hin.
»So was spficht sich schnell herum, und es wundert mich nicht einmal. Ich habe immer schon gesagt, dass jemand draußen auf der Orlando Farm lebt. Ich glaube nicht an die Geistergeschichten.«
»Welche Geistergeschichten?«, fragte ich rasch.
Der Alte steckte sich eine Handvoll gerösteter Erdnüsse in den Mund und blickte uns überlegen an.
»Draußen auf der Orlando Farm soll es Geister geben«, erklärte er geheimnisvoll. »Das soll irgendetwas mit einer verschütteten Silbermine zu tun haben, die Dutch Blake dort entdeckte, bevor es Rockrift gab. Dort soll es zu einer Schießerei gekommen sein, und seitdem, so sagt man, geht Dutch Blakes Geist dort um. Aber daran glaube ich nicht. Die Silbermine ist nie gefunden worden, und es spukt dort draußen erst seit der Sache mit Jack Orlando.«
Ich blickte Phil zufrieden an.
Langsam kamen wir der Lösung etwas näher. Dabei ging es uns weniger um Dutch Blakes verlorene Silbermine. Die gab es wohl in jedem windigen Nest in den Vereinigten Staaten, wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte.
»Sie kannten Jack Orlando?«, forschte ich weiter. Die Augen des Alten leuchteten auf.
»Ihn, seinen Bruder Frank und Luigi Orlando. Ich kann mich heute noch an den Tag erinnern, an dem der Italiener mit seiner Frau hier ankam. Er verstand kaum ein Wort Englisch, aber er hatte genug Geld, um die Farm zu kaufen. Und die Frau war hübsch. Eine richtige rassige Italienerin. Er hat die Farm ganz schön hochgebracht, aber genützt hat ihm das am Ende nichts, denn seine Boys hatten andere Ideen. Die wollten von der harten Farmarbeit nichts wissen. Frankie war immer schon ein übler Bursche gewesen, bis sie ihn einsperrten. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Und bei Jackie stimmt im Gehirn etwas nicht. Solange Luigi noch am Leben war, ging es noch, aber Jackie konnte allein die Farm nicht bewirtschaften. Dann kam es zu der Geschichte mit dem Mädchen, und er soll angeblich Selbstmord begangen haben, aber daran glaubte ich nicht. Ich dachte zuerst, dass sie die Geschichte nur erfunden haben, um ihm das lynchen zu ersparen. Na, und dann wurde das alles vertuscht.«
Ich nickte.
»Aber seit diesem Zeitpunkt wurden draußen auf der Orlando Farm die Geister rege?«, warf Phil ein.
»Stimmt«, erwiderte der Alte. »Nur waren es keine Geister, sondern Frankie und Jackie. Sie trieben sich dort draußen herum, weil sie sich in Rockrift nicht sehen lassen konnten.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das hört sich ziemlich unwahrscheinlich an. Irgendjemand hätte sie bestimmt mal sehen müssen und sie dabei erkannt. Heutzutage können zwei Männer nicht einfach untertauchen.«
Der Alte blickte mich überlegen an.
»Sie kennen die Gegend nicht. Draußen auf der Orlando Farm kann sich ein Mensch jahrelang herumtreiben, und niemand sieht ihn, wenn er nicht gesehen werden will. Sie werden es selbst merken, wenn Sie hinausfahren. Jack Orlando wird Ihnen allerdings nicht den Gefallen tun, Ihnen in die Arme zu laufen. Da müssen Sie schon ein Rudel Bluthunde mitnehmen, wenn Sie ihn finden wollen.«
»Wir versuchen es zuerst lieber auf eigene Faust«, antwortete ich, denn ich vermutete, dass sich Jack Orlando meinetwegen eher aus seinem Versteck wagte als einem Bluthund zuliebe.
»Wie kommen wir hin?«
***
Die Farm lag in den Hügeln im Nordwesten von Rockrift, und es dauerte eine halbe
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