0342 - Schädeltanz
Straßenrand.
Zamorra überlegte. Er breitete die Landkarte vor sich aus, nach der er sich orientiert hatte. Er hatte sich selbst nicht so recht getraut und vorsichtshalber noch einmal die Richtung festgelegt, in der er die Rothaarige wußte. Aber sein zuerst geäußerter Verdacht schien zu stimmen.
»Ich glaube, wir sind ein wenig vom direkten Kurs abgekommen«, sagte er. »Wenn ich das richtig abschätze, müßten wir noch ein wenig nach rechts. Sieh dir das an. Da sind Tempel eingezeichnet. Drei Stück dicht beieinander. Eine eigenartige Konstruktion. Wenn wir im alten Griechenland oder Rom wären, könnte ich mir das eher vorstellen…«
»Es werden Ruinen sein, die man nacheinander errichtet hat«, vermutete Tendyke. »Das ist hier Erdbebengebiet.«
»Die alten Indiotempel und Festungen sind niemals wegen Erdbeben eingestürzt. Von denen können wir uns heute noch eine Scheibe abschneiden«, bemerkte Zamorra.
»Vielleicht hat Cortes sie niederbrennen lassen, und die Indios haben sie wieder neu errichtet«, bot Nicole Tendyke eine Lösung an. »Immerhin hatte Cortes hier, wie man sagt, seinen Palast.«
»Da sagt man richtig«, erklärte Tendyke. »Aber der ist auf der anderen Seite der Stadt. Zamorra, meinst du, daß wir die Rothaarige bei diesen drei Tempeln finden könnten?«
»Es wäre immerhin eine Möglichkeit, nicht wahr? Schleichen wir uns also an. Am besten lassen wir den Wagen in einiger Entfernung stehen und nähern uns dann vorsichtig. Vielleicht schaffen wir es, uns unbemerkt anzupirschen.«
»Wir werden erst einmal die Gegend erkunden«, sagte Nicole. »Dann sehen wir weiter. Vielleicht ist bei den Tempeln überhaupt keine Möglichkeit für die Rothaarige, sich zu verbergen. Vielleicht müssen wir an einer vollkommen anderen Stelle suchen.«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Ich bin mir ziemlich sicher«, sagte er.
***
Gryf machte sich die Sache einfacher. Er verzichtete auf die lange Autofahrt im Cabrio auf staubiger Strecke. »Wundere dich über nichts, du wirst es ja doch nicht glauben, was gleich passiert«, sagte er, nahm sie bei der Hand, wünschte sich nach Cuernavaca und tat mit ihr zusammen den entscheidenden Schritt, der den zeitlosen Sprung auslöste.
Zielsicher kamen sie inmitten der Stadt an. Gryf war zwar noch niemals in seinem Leben hier gewesen, trotz seiner achttausendjährigen Wanderschaft durch die Gefilde der Erde, aber er hatte immerhin eine ungefähre Vorstellung von seinem Ziel gehabt.
Panchita schnappte nach Luft.
»Sag mal, willst du mich um den Verstand bringen?« keuchte sie. »Wie hast du das wieder gemacht? Ich glaube, ich träume.«
Gryf grinste. »Das Leben ist voller Überraschungen«, sagte er.
Mit der Zeit fand sich Panchita damit ab und fand sogar Gefallen an dieser unkonventionellen Fortbewegungsmethode. »Sag mal, kann man das eigentlich auch lernen?« fragte sie einmal.
»Nein. Dazu muß man geboren sein«, gestand Gryf. »Ohne mich würdest du es nie können. Es sei denn, du hättest Silbermond-Blut in dir. Aber das hätte ich bemerkt.«
Wieder dachte er an die drei Druiden, die er gespürt hatte. Warum hielten sie sich jetzt zurück? Mehrmals hatte er einen telepathischen Ruf ausgesandt, den sie aufnehmen mußten. Aber nichts geschah. Es war, als seien sie tot, alle drei.
Gryf verstand das nicht.
Er konnte weder den Ausgangspunkt der Dhyarra-Kraft eindeutig ausmachen, noch die drei Druiden finden. Dabei hatte er die Dhyarra-Energie auf einen Radius von fünf Kilometern lokalisiert. Aber in diesem Bereich befand sich allerlei. Stadtrand, Häuser, Berghänge, Waldgebiete, Ruinen, Felder, Straßen. Gryf erforschte die Gegend und einen Teil der Stadt und ließ sich dabei von Panchita erklären, was dieses oder jenes Bauwerk für eine Bedeutung hatte.
So erfuhr er, daß Cuernavaco rund 36 000 Einwohner hatte und in dieser Stadt nicht nur der Palast des Eroberers Cortes zu finden und zu besichtigen war, sondern auch die einstige Sommerresidenz Kaiser Maximilians. Und daß alljährlich im Dezember in Tepoztlân die Einwohner in farbenprächtigen Kostümen aztekische Folklore präsentierten und rauschende Feste feierten.
Ringsum erhoben sich die Ruinen aztekischer und toltekischer Bauwerke. Aber keines war in jenem Bereich, den Gryf ausgemacht hatte. Dabei lag es zumindest für ihn nahe, daß ein Magier, ein EWIGER, sich in einem Kultbau niederlassen würde.
»Vielleicht gibt es unterirdische Anlagen«, vermutete Panchita. »Sag mal, was planst du
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