0343 - Der Berater des Teufels

vernichtet, als er dich bedrohte, nicht wahr? Du bekamst plötzlich wieder panische Angst. Wie hast du es unter solchen Umständen nur fertiggebracht, die Schädel von sechs Silbermond-Druiden zu sammeln?«
    »Erst, seit Zamorra mich zu töten versuchte«, sagte sie leise. »Ich… ich bin dann irgendwie blockiert, wenn ich massiv angegrifffen werde. Ich hatte ihn zuerst im Griff. Aber dann…«
    »Dann duchbrach er deine Dhyarramagie mit seinen Kräften«, sagte Eysenbeiß zornig. »Er hat dich gesehen. Er wird plaudern. Aber wenn er stirbt, weiß jeder, daß ich daran beteiligt war. Man weiß um unsere Rivalität. Er muß außerhalb der Hölle getötet werden, auf eine Art, die nicht mit mir in Zusammenhang gebracht werden kann. Du solltest dir etwas einfallen lasen, Namenlose.«
    Eysenbeiß war unruhig. Leonardo deMontagne, der sich um alles kümmerte, mochte vielleicht schon bald sein Augenmerk wieder auf Eysenbeiß richten und seinen Schatten oder einen Skelettkrieger oder einen Hilfsdämon schicken, um Eysenbeiß zu holen. Wenn dann auffiel, daß hier etwas nicht stimmte…
    »Sieh zu, daß du ihn los wirst«, befahl der Kahlkopf. »Er muß sterben, darf keine Möglichkeit haben, jemals wieder hierher zurückzukehren. Benutze deinen Kristall, wenn du willst. Hier dürfte seine Energie nicht bemerkt werden, im Gegensatz zu jeder anderen Magie, die hier Natur ist, aber der Dhyarra ist kein Teil dieser Welt. Seine Schwingungen kann kein Höllischer erkennen.«
    Deshalb hatte er die Rothaarige hergeholt. Niemand würde erkennen, was geschah, wenn der große Schlag erfolgte, der Eysenbeißens Macht vielfach vergrößern würde. Viel zu spät würden die Höllischen eingreifen können, weil sie erst einmal feststellen mußten, was die Ursache des beabsichtigten Geschehens war. Und das mußte ihnen schwerfallen.
    Die Rothaarige schluckte.
    »Ihr seid beide keine Dämonen«, sagte sie. »Du hast mich belogen. Ich glaubte, du seist ein Dämon, weil du auf meine Beschwörung wie ein Dämon kamst. Doch du bist ein Mensch wie er. Das erkenne ich, seit ich in diesen Gefilden bin und zu deuten vermag, was real und was nicht begreifbar ist. Du bist begreifbar.«
    Eysenbeiß lachte spöttisch.
    »Ich bin der Beschwörung aus reiner Neugierde gefolgt«, sagte er. »Doch wenn du glaubst, dich aufgrund dessen, daß ich kein Dämon bin, dem Pakt entziehen zu können, so sei gewarnt. Nach wie vor habe ich die Macht, dich mit einer Handbewegung auszulöschen.«
    »So lösche ihn aus.« Sie deutete auf Wang.
    »Das«, sagte Eysenbeiß, »überlasse ich dir. Du bist für mich druchaus von Wert. Ich gab dir eine Chance, weil ich deinen bösen Willen sah, der Hölle zu dienen. Obwohl du gegen Zamorra und Tendyke versagtest. Du hast jetzt wiederum versagt. Versage ein drittes Mal, und ich werde ohne dich auskommen. Dann aber wirst du tot sein.«
    Er wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und schritt davon.
    Die Rothaarige sah ihm nach. Die Tür, die Wang aufgerissen hatte, schloß sich wie von Geisterhand bewegt.
    Er wird es wahrmachen, dachte sie. Er bringt mich um. Hier, in der Hölle, bin ich ihm ausgeliefert.
    Sie sah wieder den vor ihr liegenden Wang an.
    Sie hatte instinktiv angegriffen, weil sie von Eysenbeiß wußte, daß vorerst niemand von ihrer Anwesenheit wissen durfte. Sie hatte gesehen, wie Eysenbeiß den Hilfsgeist tötete, der sie hierher gebracht hatte - nur damit dieser nichts ausplaudern konnte.
    Aber sie hatte versagt, als sie Wang angriff. Sie hatte im entscheidenden Moment wieder den wilden Angriff zweier Männer vor Augen gehabt, die das Unmögliche schafften und sie in ihrer Tempelbasis unterhalb der Aztekenruine von Cuernavaca in Mexiko angriffen. Hatte das Inferno wieder vor sich gesehen, als Dynamit detonierte, als aus stählernen Waffenrohren Brand, Feuer, Hitze und Verderben zuckte. Der unterirdische Saal mit dem Opferstein, auf dem der Silbermond-Druide Gryf verdorrte, war eine Feuerhölle geworden.
    Und fast wäre sie selbst trotz ihrer gewaltigen Dhyarramacht gestorben…
    Jetzt hatte sie erneut versagt.
    Sie fragte sich, ob sie überhaupt noch kämpfen konnte.
    Vielleicht konnte sie es nicht mehr, nach so langen Jahrhunderten und Jahrtausenden der Verbannung auf der Erde. Nach den Äonen der Einsamkeit.
    Aber sie konnte noch töten.
    Ihre Hand umschloß den starken Dhyarrakristall unter ihrem Gewand. Sie konzentrierte sich auf diese Sternenmagie. Und sie ließ sie auf Wang Lee Chan wirken.
    ***
    Zamorra