0349 - Brücke der knöchernen Wächter
und Blut.
Diese Gestalt war sein Freund John Sinclair!
***
Sie waren aus London weggekommen und außerhalb der Drei-Meilen-Zone noch in zwei Särge umgestiegen. Das alles war wunderbar gelaufen, es hatte keine Schwierigkeiten gegeben, und dennoch hatten sie es nicht geschafft, denn Orientalen sind keine Europäer.
Sie nehmen es mit der Zeit nicht so genau, deshalb war auch der von Leila und Aldo angestrebte Plan aus den Fugen geraten.
Als sie in Tanger eintrafen, war alles vorbei. Sie hatten sich den Friedhof angesehen, auch in die Leichenhalle geschaut und wußten Bescheid.
Der Bai, der ihnen den Weg zur Großen Mutter hätte zeigen können, war schon vor ihrer Ankunft erwacht.
Und sie konnten nichts mehr dagegen tun.
So blieb ihnen nur der Rückzug.
In einem kleinen Café nahe der Altstadt, hockten sie sich an einen winzigen Tisch und berieten. Eingepackt waren sie in ein Stimmenwirrwarr, und manch unverhohlener Männerblick glitt über die geschmeidige Gestalt des Halbbluts Leila.
Sie war eine Schönheit. Äußerlich mit allen Gaben der Natur gesegnet, im Innern jedoch ein Wrack. Ohne Herz, Gefühl und Sinn für andere Menschen. Für sie allein zählte der Erfolg und das Böse schlechthin. Um dies zu erreichen, ging sie über Leichen.
Auf dem Schiff hatten sie die Kleidung gewechselt. Beide waren dunkel angezogen.
Leila trug einen eng anliegenden Hosenanzug, dessen Stoff auch in der Kühle der Nacht wärmte. Sie hatte die vier ersten Knöpfe des Oberteils geöffnet, so daß die Ansätze ihrer Brüste zu sehen waren.
Leila besaß die Figur einer Göttin. Sie war ein Rasseweib, und sie wußte dies auch.
Mit dem Blick ihrer dunklen Augen schaffte sie es, den Männern die Köpfe zu verdrehen, und wenn sie ihre Unterlippe vorschob, hatte ihr Gegenüber das Gefühl, in die Verlockungen eines sündigen Paradieses einzugehen. Die Haare trug das schöne Halbblut zu dünnen Strähnen gedreht. Sie rahmten den Kopf ein, waren mit Perlen verziert, die in allen Farben glänzten, wenn sie vom Licht getroffen wurden.
Der Kaffee wurde gebracht. Er schwamm in kleinen Tassen, war heiß und gleichzeitig süß.
Die beiden tranken und schauten sich über den Rand der Tassen hinweg in die Augen.
Sehr langsam ließ Leila die Hände mit der kleinen Tasse sinken und setzte sie vorsichtig ab. »Haben wir verloren?« fragte sie mit leiser Stimme und nur für ihr Gegenüber zu verstehen.
»Wobei?«
»Du weißt schon.«
Der dunkelhaarige Aldo schlürfte den Kaffee und verzog das Gesicht. »Unsinn, wir haben nicht verloren, wir sind in Marokko. Die anderen haben die Spur verloren. Hier finden sie uns nicht. Und wenn, wird es ihnen schlecht ergehen.«
»Ich teile deinen Optimismus nicht!« zischte die Frau.
»Und weshalb nicht?«
»Der Bai ist verschwunden. Hier hat vor kaum faßbarer Zeit die Menschheitsgeschichte begonnen. Hier ist sie geschrieben worden. Wir wollen in das Mysterium hineindringen, und du tust so, als wäre das alles so einfach und für uns ein Kinderspiel.«
Jetzt ließ auch Aldo die Tasse sinken. »Und was soll ich deiner Ansicht nach tun?«
»Die Spur aufnehmen.«
»Die des Bais?«
»Natürlich. Dumme Frage.«
»Dann zeig mir den Weg.« Der Mann grinste das Halbblut an.
»Der Bai ist verschwunden. Das Tor wird bald verschlossen sein. Wir müssen noch einen Tag und eine Nacht warten.«
»Das will ich nicht.«
»Weshalb nicht? Läuft uns der Bai vielleicht weg?«
»Das glaube ich kaum, mein Lieber. Aber in der Zwischenzeit kann sich viel ereignen.«
»Und was?«
»Weiß ich auch nicht. Jedenfalls werden wir uns in dieser Nacht noch auf die Suche machen. Du kennst die Altstadt nicht, aber ich kenne sie. Vielleicht finden wir jemand, der uns führt.«
»Das ist möglich.«
»Dann frag den Kellner hier. Die kennen doch meistens Land und Leute. Außerdem will ich hier raus. Die Blicke der geilen Kerle brennen auf meinem Rücken.«
Aldo lachte spöttisch. »Bist du das nicht aus dem Sauna-Club gewöhnt, meine Liebe?«
»Das ist vorbei.«
»Ach so.« Er lachte leise und drehte sich auf seinem Stuhl sitzend herum. Leila hatte nicht übertrieben. Fast alle männlichen Gäste starrten nur zu ihr herüber. Und diejenigen, die das Café verließen, strichen besonders nahe an ihr vorbei.
Der Kellner sah das Handzeichen und kam an. Er schaute Leila schräg über die Schulter und versuchte dabei, einen Blick in den Ausschnitt zu erhaschen.
Aldo wedelte mit einer größeren Banknote. Plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher