0352 - Es brodelt in der Unterwelt
keinen Menschen entdecken konnte.
Ich blieb stehen und lauschte. Da drüben links bröckelte Geröll herunter. Sofort eilte ich dahin. Plötzlich stand ich vor Pfeilern, die ein dickes Rohr über die Schlucht leiteten.
Der Verfolgte hangelte sich eben die Streben eines Pfeilers hoch. Ich hörte das Scharren seiner Schuhe auf dem rostigen Eisen und konnte mir gut vorstellen, wie das umfangreiche Dollarpaket ihn behinderte. Bei dieser Kletterei war ich ihm überlegen.
Ich nahm die Sprossen und stieg nach.
Rost und Schmutz rieselten von oben auf mich herunter, so daß es mir kaum möglich war, zu sehen, wohin ich faßte.
Jetzt mußte der Verbrecher die Spitze erreicht haben, denn der Segen von droben verebbte. Die gefährlichste Strecke für ihn begann aber erst. Er durfte nur vorsichtig auf dem Rohr entlanggleiten, sonst stürzte er in die Tiefe. Ich konnte es mir leisten, eine kurze Schnaufpause einzuschalten und mich zu orientieren.
Angestrengt blickte ich zur Höhe, wo sich die Gestalt des Dollarräubers leicht gegen den Sternenhimmel abzeichnete.
Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, daß er sich nicht in der Richtung weiterabeitete, die über die Schlucht führte, sondern das Plateau zu gewinnen trachtete, von dem wir gekommen waren. Der Schlaumeier dachte wohl, mich auf diese Weise abzuhängen und vor mir wieder zu seinem Wagen zu gelangen.
Ich hatte wenig Lust, ebenfalls über das glatte Rohr zu schlittern.
»Halt — kommen Sie zurück, oder ich schieße!« rief ich nach oben.
Der Kerl hielt sofort inne und beugte sich zu mir. Statt meiner Aufforderung zu folgen, sandte er mir zwei Kugeln um die Ohren!
***
Ich duckte mich sofort hinter das Gestänge, das natürlich keinen Schutz bot. Der Verbrecher war bewaffnet und zielte trotz der Dunkelheit ausgezeichnet — fast wie ein Scharfschütze. Kaum ging das Wort durch meinen Kopf, dämmerte mir auch schon etwas.
Sollte es Jimmy Toole sein? Der Wagen, dessen Zündung von mir demoliert worden war, hatte mich vorhin schon stark an seine klapprige Leihkiste aus Denver erinnert.
Schon blitzte wieder ein Schuß auf, der den Eisenstab zwischen meinen Fingern zum Klingen brachte. Diese Musik war mir zu aggressiv, und ich zog unwillkürlich die Hand zurück, als habe sie auf eine heiße Herdplatte gefaßt. Für einen Moment hielt ich mich ziemlich selbstmörderisch an den Mast geklammert, und nur die Dunkelheit verhinderte, daß mir bei dem luftigen Manöver schwindlig wurde.
»Wer ballert denn da in der Gegend herum?« hörte ich plötzlich ein Stimme fragen, die von dem Hang herkam, den der Dollarräuber zu erreichen versuchte.
Einen Augenblick lang war völlige Ruhe.
Dann schien sich der Verfolgte von der Überraschung erholt zu haben. Wieder zuckte ein Feuerstrahl aus seiner Pistole. Die Kugel prallte von der Sprosise ab, auf der ich stand und schwirrte als Querschläger durch die Gitterkonstruktion.
Nur schade, daß ich nicht entsprechend antworten konnte! Diesem Feuerwerk gegenüber war ich machtlos. Ich kauerte mich noch enger zusammen, um ein kleines Ziel zu bieten.
Wer mochte der Mann sein, dessen Stimme eben laut geworden war? Ein zufälliger Ohrenzeuge des einseitigen Duells, der sich in seiner Ruhe gestört fühlte?
Ganz gleich, um wen es sich handelte — er kam mir gerade recht.
Der Schütze auf dem Rohr änderte seine Absicht und rutschte nun in entgegengesetzte Richtung, um die jenseitige Böschung der Schlucht zu gewinnen.
Da durfte es für mich kein Überlegen geben!
Ungeachtet neuer Schüsse hangelte ich mich nach oben, um ihm den Weg zu verlegen. Ein Fluch erscholl, und ein harter Gegenstand sauste an mir vorüber in die Tiefe. Er hatte wohl seine Waffe mangels Munition als Wurfgeschoß verwendet.
Jetzt besaß der Verbrecher keine Chance mehr, mir zu entkommen.
In einem Tempo, das auch einem berufsmäßigen Artisten zur Ehre gereicht hätte, stieg ich höher und langte genau in dem Moment oben an, in dem der Verfolgte den Pfeiler passierte.
Wir hatten beide keine günstige Ausgangsposition, als wir in ein verbissenes Handgemenge gerieten. Ich kam von unten und wehrte seine Fußtritte ab, mit denen er mich reichlich bedachte. Er saß zwar über mir verhältnismäßig sicher auf dem Rohr, hielt aber mit einer Hand das Paket mit den Dollars.
Ich zog und zerrte an seinen Beinen, während er mir mit der Faust auf dem Kopf herumtrommelte. Ich merkte bei dieser Gelegenheit, daß er kein Herkules war.
Ich schnellte mich plötzlich hoch.
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