0356 - Die Tarot-Hexe
abgespielt hatte und wie die Dinge lagen. Sid Amos hatte es ihm damals gesagt, nach dem Angriff Leonardo deMontagnes auf das Château.
Aber Zamorra schien Amos’ Worte nicht so ernst genommen zu haben, wie sie gemeint waren. Denn anstatt sich darum zu kümmern, daß entweder Sara Moon gefunden wurde oder es Beweise für ihr damaliges Ableben gab, reiste er in der Weltgeschichte herum und kümmerte sich um alle möglichen anderen Dinge, nicht aber um das Wichtige.
Die Zerschlagung einer Teufelsanbetersekte war für Amos nicht wichtig, auch nicht, daß die Druiden Gryf und Teri von Leonardos Einfluß befreit worden waren. Wichtig war, daß Merlin wieder erwachte und er, Amos, seiner gehaßten Aufgabe entbunden wurde, weil Merlin sie dann wieder übernahm. Wichtig war, daß Sid Amos sich dann wieder frei bewegen konnte.
Sechs Amulette brauchte er! Drei hatte er schon in seinem Besitz. Wo sich die anderen befanden, war ihm noch nicht völlig klar. Aber er mußte beweglich sein, unabhängig, um sie suchen zu können.
Er mußte also Zamorra dazu bringen, daß der sich endlich an die Arbeit machte. Einfaches Überreden nützte nichts. Wenn Zamorra ihm einmal nicht richtig zugehört hatte, würde er es auch ein zweites Mal nicht tun. Also mußte Sid Amos sich Zamorra verpflichten. Er mußte ihn zwingen können.
Sid Amos ahnte auch schon, wie er das bewerkstelligen konnte. Die Situation war günstig…
***
Nicole war schon nach oben gegangen. Zamorra zögerte noch. Er spürte eine seltsame Unruhe in sich. Ihm war, als müsse an diesem Abend, in dieser Nacht, noch etwas passieren.
Er spielte mit dem Gedanken, Raffael aufzustöbern. Aber in der Dunkelheit hatte das nicht viel Sinn. Raffael lief ihm nicht davon. Er würde morgen auch noch da sein. Und bis dahin konnte Zamorra sich etwas überlegt haben. Wie sollte er Raffael von dem unheimlichen Zwang befreien?
Zamorra erhob sich jetzt und ging zur Tür, die nach draußen führte. Pierre Mostache nickte ihm zu. Er schrieb die Getränke und das Abendessen, das er serviert hatte, auf die große Rechnung. Bei Zamorra brauchte er da nicht so kleinlich zu sein. Er wußte, daß er sein Geld bekommen würde, wahrscheinlich sogar mehr, als er überhaupt verlangte.
Die Versicherungsleute unterhielten sich an ihrem Hintergrundtisch immer noch. Ob es noch um Château Montagne ging, konnte Zamorra nicht verstehen. Er hätte es durch Lippenlesen erfahren können, aber was interessierte es ihn? Es war gesagt worden, was es zu sagen gab.
Zamorra trat nach draußen. Es war fast dunkel geworden. Die Mondsichel stand am Himmel. Zamorra versuchte, das Château zu erkennen.
Aber hier unten waren die Bäume im Weg und verhinderten den direkten Blick. Oben vom Zimmerfenster aus war auch noch nichts zu sehen.
Trotz des Tagesstresses fühlte Zamorra noch keine Bettschwere. Er war auf eine seltsame Weise müde und doch wach. Der Gedanke an Raffael ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.
Sollte er einen Abendspaziergang machen? Eine Runde durchs Dorf, dann wieder zurück und dann einen Schlummertrunk nehmen… das erschien ihm als die richtige Lösung. Er zog die Tür hinter sich zu. Drüben standen die beiden Wagen. Sie interessierten Zamorra nicht. Er wandte sich nach links.
Dreißig Meter weiter führte ein Weg zur Loire hinunter. An ihrem Ufer hatte Zamorra lange nicht mehr gestanden. Flüchtig entsann er sich einer warmen Sommernacht, in der sie hier gezeltet hatten – Nicole, Gryf, Teri und er. Das war lange her. Sie hatten einfach einer Laune nachgegeben und das Château verlassen.
War nicht damals auch etwas mit Raffael gewesen, den der Schwarze Druide unter seinen Einfluß gebracht hatte? Der mit dem Dämonenschatz?
Aber es lag lange zurück. Die Erinnerungen verblaßten wieder. Zamorra machte ein paar Schritte. Es war vielleicht wirklich nicht falsch, sich mal das Plätschern der Wellen am Ufer anzuhören und das Funkeln von Mond und Sternen auf dem Wasser zu betrachten.
Hinter ihm wurde die Tür der Schänke wieder geöffnet. Zamorra drehte den Kopf.
Perret trat ins Freie.
»Monsieur Zamorra… ?«
Der blieb stehen. »Ja, Monsieur Perret?«
Perret kam heran. »Die Worte, die heute abend gefallen sind… ich weiß nicht, ob das alles gut war«, begann er zögernd. »Aber wir haben unsere eindeutigen Anweisungen, und Doktor Graque ist ein Paragraphenreiter. Er sieht seine Aufgabe darin, die Versicherungsgesellschaft vor vermeidbaren Ausgaben zu schützen. Ist das nicht
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