0359 - Meine Henkersmahlzeit
hin?«
»Einen Beweis suchen.«
»Jetzt wirst du komisch, John«, erklärte mir der alte Horace F. Sinclair und hämmerte die Tür zu.
Ich lächelte nur, schnallte mich an, startete und rollte rückwärts, bevor ich die alte Schaukel, wie ich meinen Wagen inzwischen genannt hatte, drehte.
Mochte der Bentley auch seine Jahre auf dem Buckel haben, eines war gewiß. Die Reifen gehörten zu den besten, denn ich hatte Winterreifen aufziehen lassen.
Die Fahrbahn war tückisch. Der von oben kommende Schnee bestand aus sehr feinen Körnern, die von einem eisigen Wind getrieben wurden und flach über den Boden sausten, bevor sie irgendwo liegenblieben und genau an den Stellen die ersten, kleinen Verwehungen bildeten.
Für die Autofahrer war das Wetter Gift, während die Kinder sich freuen konnten.
Ich fuhr ziemlich langsam. Im Schrittempo rollte ich die Straße wieder zurück.
»Was hast du vor, John?«
»Das wirst du gleich sehen, Dad. Ich traue nämlich unserer Freundin nicht über den Weg. Der Besuch wird sie aufgeschreckt haben. Sollte sie Dreck am Stecken haben, wird sie sich mit irgend jemand in Verbindung gesetzt haben, der ihr helfen kann. Sie muß einfach reagieren. Ich möchte nur ihr Haus ein wenig beobachten.«
»Aha.« Mein Vater nickte. »Und das siehst du da vorn.«
»Genau, und auch das Taxi.«
Der Wagen war plötzlich gekommen und hatte vor dem Haus, in dem Mrs. Anderson wohnte, gehalten.
Auch ich stoppte. Mein Vater sagte nichts mehr. Wahrscheinlich wunderte er sich darüber, daß Mrs. Anderson sich so schnell hatte ein Taxi kommen lassen.
»Es kann auch ganz harmlos gewesen sein«, meinte er. Seine Ausrede klang ziemlich lahm.
»Wir werden sehen.«
Der Fahrer des Wagens brauchte nicht lange zu warten. Die Haustür wurde geöffnet, und Mrs. Anderson erschien.
Sie schaute kurz in die Höhe, sah den Schnee und schüttelte den Kopf. Es gefiel ihr wohl nicht, daß es so weiß vom Himmel rieselte.
Aber das war nicht mein Problem. Ohne sich umzudrehen, schritt sie schnell auf den Wagen zu und stieg ein. Das Taxi fuhr sofort an.
Ich hatte den Motor laufenlassen, wartete, bis der andere Wagen einen genügend großen Abstand erreicht hatte und folgte ihm. Die Reifen hatten auf dem Schneeboden deutliche Spuren hinterlassen, denen ich nur zu folgen brauchte.
»Was erhoffst du dir von dieser Verfolgung«, erkundigte sich mein Vater.
»Zumindest eine Spur.«
»Wie du meinst.«
»Du kannst auch aussteigen, Dad. Vielleicht wird es gefährlich. Ich denke an Mutters Worte. Auch sie hatte immer Angst um dich…«
»Hör bitte auf!«
Um meinen Vater nicht noch weiter zu verärgern, hielt ich lieber den Mund. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß die Fahrt tiefer in die City hineinführte, das war nicht der Fall, das Taxi rollte weiterhin den Londoner Randbezirken entgegen, und der Schneevorhang wurde von Minute zu Minute dichter.
Die Fahrzeuge, die uns entgegenkamen, fuhren sehr langsam. Sie passierten uns im Schrittempo.
Bald verschwanden die Häuser, die Gegend wurde ländlicher, der Schnee mehr und die Straßen schmaler.
Vor der Scheibe tanzte ein wirbelnder Vorhang. Ich mußte dichter zum Taxi aufschließen, wollte ich es nicht aus den Augen verlieren.
»Ob das alles etwas bringt«, fragte mein Vater zweifelnd.
»Ich hoffe es.«
Horace F. Sinclair schüttelte den Kopf. »Wenn man sich mit dir einläßt, ist man vor Überraschungen nie sicher.«
Ich grinste. »Was du nicht sagst. Aber ich habe nun mal keinen Verwaltungsjob.«
In der nächsten Viertelstunde schwiegen wir, denn mir fiel es immer schwerer, mich auf das Fahren zu konzentrieren. Es war nicht einfach, auf der glatten Fahrbahn die Balance zu halten. Trotz Winterreifen mußte ich sehr behutsam mit Gas und Bremse umgehen, um den Weg durch diesen wirbelnden Vorhang aus Schneeflocken zu finden.
Vor mir glühte etwas Rotes. Wie zwei Teufelsaugen kamen mir die Lichter vor. Das waren sie nicht, nur die Bremsleuchten des Taxis, das angehalten hatte.
Auch ich stoppte.
»Jetzt bin ich mal gespannt«, sagte mein Vater, den mittlerweile auch das Jagdfieber gepackt hatte.
»Ich auch.«
Schattenhaft sahen wir eine Gestalt auf der linken Seite hinweghuschen und im dichten Flockenwirbel verschwinden. Das mußte die Frau gewesen sein.
Der Fahrer drehte seinen Wagen auf der engen Straße. Ich hatte schon Angst, daß er bei der Glätte nicht richtig herumkam, aber er schaffte es mit Geschick und Können.
Schon bald passierte er uns, aber
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