0363 - Der Gnom mit den sieben Leben
wichtig, die Flucht zu ergreifen und sich von dem anderen nicht fassen zu lassen.
Mit jammernden Geräuschen radierten die Reifen über den Boden. Eine erschreckte Frau tauchte neben dem Toyota auf. Della sah ihr erstarrtes Gesicht, schrie den Gnom an und wollte ihm ins Lenkrad greifen, als der Verwachsene zuschlug.
Es war ein knapper Hieb mit dem Handrücken. Er traf Della auf die Nase. Sie spürte einen heftigen Schmerz. Ein Äderchen war geplatzt. Blut rann aus dem rechten Nasenloch, und sie sah noch, wie die Frau aus ihrem Blickfeld verschwand, da sie vom Kotflügel erfaßt und zu Boden geschleudert worden war.
Der Gnom riß das Steuer nach rechts. Sein Gesicht zeigte jetzt einen verbissenen Ausdruck. Schweiß klebte auf der hohen, pockennarbigen Stirn. Die Lippen zuckten, und er achtete auch nicht mehr auf den Straßenverkehr, in den er kurzerhand hineinstach.
Andere Wagen mußten bremsen. Es kam zu einem kleinen Auffahrunfall, der den Mann überhaupt nicht interessierte. Wenn es jemand gab, vor dem er Angst hatte, war es sein Verfolger, dieser Mensch mit dem Namen Yakup Yalcinkaya.
Und der hatte die Einfahrt hinter sich gelassen. Der Türke mit den blonden Haaren, dem kantigen Gesicht und dem muskulösen Körper glich einer menschlichen Bombe. Er ließ sich durch nichts aufhalten. Ein Kämpfer, der mit seinen Karatefäusten Mauern durchbrechen konnte, war auch von einem fahrenden Wagen nicht aufzuhalten.
Er nahm die Verfolgung auf.
Der Mann, der Schreckliches durchgemacht und unter dem Tod seiner Freundin zu leiden gehabt hatte, gab nicht auf. Er lief nicht über die Straße, sondern parallel dazu auf dem Gehsteig, denn er wollte den Wagen einholen.
Zeugen hätten ihn höchstens als einen wirbelnden Schatten beschreiben können, so schnell war er. Seine Füße schienen den Boden kaum zu berühren, die Arme wirkten beim Laufen wie wirbelnde Dreschflegel, und Menschen, die seinen Lauf behindern wollten, wurden von ihm entweder umgangen oder zur Seite geschleudert.
Der Toyota war wichtiger.
Und der hatte an Geschwindigkeit gewonnen. Geduckt hockte der Gnom hinter dem Lenkrad, schielte in die Spiegel und sah, daß der andere aufholte.
Er war wie ein Schatten. Wer ihn einmal im Nacken wußte, entkam ihm nicht mehr.
Der Verwachsene wollte überholen. Er mußte überholen und zog den Toyota nach links, um auf die Mitte der Fahrbahn zu gelangen.
Aber da kam ihm jemand entgegen.
Ein Motorrad, nicht sehr PSstark, und der Fahrer war so erschreckt, daß er nicht mehr rechtzeitig genug ausweichen konnte.
Der Toyota streifte ihn.
Das Knirschen des Blechs glich einer schrillen Musik. Auch der Toyota bekam einen heftigen Stoß, wurde durchgeschüttelt und weiter nach links gedrückt, wo ein anderer Autofahrer sich auf den Gehsteig rettete.
Der Gnom lachte. Wie irr kurbelte er am Lenkrad, drehte es nach rechts, damit er die Mitte der Straße wieder erreichen konnte. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, daß seine Fahrerei für einigen Aufruhr gesorgt hatte, denn einige Wagen standen quer oder hatten sich »geküßt«.
Und er sah Yakup!
Kampferprobte Menschen wie er verstanden es, die Gunst der Stunde zu nutzen. Hier wurde keine Colt-Seavers-Folge gedreht, obwohl der Türke wie ein Stuntman aussah. Über die Autodächer turnte er hinweg. Mit den Armen hielt er bei jedem Sprung das Gleichgewicht. Einen Bogen hatte er über die Schulter gehängt. Der Köcher mit den Pfeilen befand sich auf seinem Rücken.
Die Fahrer, die in ihren Autos saßen, bekamen nur akustisch davon etwas mit. Immer wenn die Füße des Mannes das Autodach berührten, hörten sie einen dröhnenden Laut.
Und der Gnom raste weiter. Er fuhr ohne Rücksicht auf Verluste, denn er mußte dem anderen entkommen.
Aber Yakup kam näher. Von einem letzten Wagendach sprang er auf die Straße, lief und sah plötzlich die Schnauze eines Station Car vor sich erscheinen.
Viele Hindernisse konnte er aus dem Weg räumen, diesen Wagen würde er nicht schaffen. Bevor ihn das Fahrzeug auf die »Hörner« nehmen konnte, setzte Yakup zu einem tigerhaften Sprung an, der ihn zur Seite schleuderte, so daß er auf dem Gehsteig landete und im Rückblick noch das fassungslose Gesicht des Fahrers hinter der Scheibe sah.
Dann stand er wieder auf den Füßen, schaute nach vorn und entdeckte den Toyota bereits dicht vor einer Straßenkreuzung. Er fuhr noch immer auf der Fahrbahnmitte, aber sein rechtes Blinklicht flackerte.
Wenig später bog er ab.
Nicht einmal die
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