0363 - Der Teufel machte Überstunden
rannte zur Ecke. Von hier sah ich den Balkon, der in vier Meter Höhe an der Wand entlanglief.
Noch wusste ich nicht, welchen Rückweg die Gangster eingeschlagen hatten. Erst als ich Schritte hörte, drehte ich mich um und sah die beiden Gestalten.
Sie mussten die Feuerleiter benutzt haben, die an der anderen Ecke in den Garten führte. Ich spurtete über den kurz geschorenen Rasen den flüchtenden Gestalten nach.
»Stehen bleiben«, rief ich und hob im Laufen die Waffe.
Sie beschleunigten ihre Schritte.
Ich zielte auf die Beine, als ich links von mir den Mündungsblitz sah.
Aus dem Laufen heraus ließ ich mich fallen. Mit zischendem Geräusch pfiff die Kugel dicht über mich hinweg.
Der Schütze saß keine zwanzig Meter entfernt. Zum Glück war es zu dunkel, um genau zu zielen. Außerdem standen einzelne Büsche verstreut, die mir als Deckung dienten.
Von den beiden Verfolgten war nichts mehr zu sehen. Sie hatten den Zaun zum Nachbargrundstück überwunden und waren sicherlich schon längst in ihrem Versteck.
Ich griff einen Stein, der neben mir lag, und schleuderte ihn in Richtung des unsichtbaren Schützen.
Dieser uralte Trick wirkte wie bestellt. Dreimal sah ich das Mündungsfeuer, als der heimtückische Heckenschütze in Richtung Aufschlagstelle feuerte.
Ich hielt etwas tiefer, denn ich wollte ihn nur verwunden, und drückte ab.
In diesem Moment ging das Licht im Hotel an. Die Schüsse hätten alle Bewohner aus dem Schlaf geschreckt.
Der Rasen wurde stellenweise taghell erleuchtet. Gleichzeitig mit dem Lichteinf all hörte ich ein unterdrücktes Stöhnen. Hatte ich den Unsichtbaren getroffen?
Ich erhob mich halb, um den Gegner besser zu sehen. Undeutlich sah ich eine Gestalt am Boden liegen.
Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Als ich nur noch drei oder vier Schritte entfernt war, erhob sich der Revolverheld plötzlich, er riss seine Waffe hoch und stieß einen Wutschrei aus. Ein Schuss peitschte auf.
Bevor ich reagieren konnte, sah ich hinter dem Schützen einen dunklen Schatten. Das Pfeifen der Kugel hörte ich schon nicht mehr, denn ich hatte volle Deckung gesucht.
Vorsichtig hob ich den Kopf. Ich sah Phil über den Mann gebeugt.
Langsam stand ich auf und kam näher.
»Hast du geschossen?«, fragte ich.
»No, ich schlug ihn nieder, bevor er abdrücken konnte«, sagte Phil.
Er hielt mir eine schwere Luger hin: »Das ist seine Waffe.«
Phil richtete seine Taschenlampe auf den Mann.
Ein großer, dunkler Fleck auf der Brust zeigte, dass es ihn voll erwischt hatte.
Er atmete mühsam und keuchend, die Augen krampfhaft geschlossen.
Sein Gesicht war verzerrt. Er stöhnte mehrmals kurz auf.
»Hol’ einen Arzt«, sagte ich zu Phil. Dann beugte ich mich hinab.
»Können Sie mich verstehen?«, fragte ich eindringlich. Ich sah, dass wir nicht mehr viel Zeit hatten.
»Wo stecken die anderen?«, fragte ich. Er versuchte zu sprechen, doch es gelang ihm nicht.
»In Millbrook?«, fragte ich und trat noch näher.
Ein fast unmerkliches Kopfschütteln war die Antwort.
Ein Gedanke kam mir. Auf gut Glück fragte ich »Poughkeepsie?«
Er nickte schwach.
»Für länger?«
Wieder das schwache, nur angedeutete Nicken. Er versuchte etwas zu formulieren. Ich brachte mein Ohr dicht an seinen Mund.
»Diese Schufte«, flüsterte er.
Mir war der Sinn nicht sofort klar. Ich drang jedoch nicht weiter in ihn.
In meiner rechten Tasche fand ich ein unbenutztes Taschentuch.
Ich knüllte es zusammen und schob es unter das Jackett, um das Blut zu stillen.
Phil hastete mit dem Doktor zurück. Der Arzt kam in Pantoffeln und nur mit Hose und Hemd bekleidet.
Er riss sein Köfferchen auf und suchte sofort nach Verbandmaterial. Ich schnitt derweil die Jacke auf, um den Verletzten nicht bewegen zu müssen.
Der Doc legte schweigend einen Notverband an. Minuten später kam auch schon mit heulender Sirene ein Krankenwagen vorgefahren.
Behutsam halfen wir, den Schwer verwundeten auf die Tragbahre zu legen.
Ich schob meinen Arm unter seinen Hinterkopf, nachdem der Doktor befohlen hatte, den Kopf hochzubetten.
»Wird er durchkommen?«, fragte ich leise, während ich neben der Bahre zum Krankenwagen schritt.
Der Arzt zuckte die Schultern.
»Ich weiß noch nicht, wie schwer die Verwundung ist«, sagte er.
Während der Doc mit zum Krankenhaus fuhr, blieben Phil und ich vor dem Hotel zurück.
Gerade traf auch der Sheriff ein.
»Was ist passiert, Cotton?«, fragte er übernächtig.
Ich erklärte ihm in wenigen
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