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0367 - Der Hexenbaum

0367 - Der Hexenbaum

Titel: 0367 - Der Hexenbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Grundproblem: Wie sollte sie die Chinesin in die Santa Cruz Hills bringen?
    Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Sie wußte jetzt, wo ihr Ziel lag! Von einem Moment zum anderen war die Information in ihrem Bewußtsein erschienen!
    Sie ging zum Zimmertelefon und betrachtete es. Gerade wollte sie nach dem Hörer greifen, als ihr einfiel, wie verräterisch ein Anruf von diesem Zimmer aus sein konnte. Wenn Su Ling vermißt wurde und man in der Telefonzentrale feststellte, daß um diese Uhrzeit ein Anruf geführt worden war, ließ sich wahrscheinlich auch der angerufene Anschluß feststellen. Der Computer speicherte die Telefonate zwecks Abrechnung. Dann würde also eine Spur zu Sybil Ranix weisen. Die war aber bestimmt nicht erbaut darüber.
    Verflixt noch mal, dachte Sonia, ich muß die Chinesin doch irgendwie hier wegbekommen !
    Sie trat zum Fenster und öffnete es.
    Dahinter befand sich eine Metallgalerie und die Feuerleiter.
    Sonia atmete auf. So kam sie zumindest erst einmal aus dem Gebäude heraus, wenn auch nur in den Hinterhof. Aber das war bereits ein Fortschritt.
    Sie zerrte Su Ling zum Fenster und wuchtete sie mühsam hinaus auf die Galerie. Das ging bei weitem nicht so lautlos ab, wie sie gehofft hatte. Erschrocken lauschte sie in die Nacht. Aber entweder hatten die Gäste in den Nachbarzimmern einen gesunden Schlaf, oder sie waren noch unterwegs.
    Als alles still blieb, kletterte sie selbst hinaus. Mühsam wuchtete sie sich die Chinesin über die Schulter und wankte auf die Feuerleiter zu, die nach unten führte. Wenn Su Ling jetzt nur nicht wach wurde…
    Sechs Etagen tief! Ein Absturz wäre verheerend…
    Sonia geriet in Schweiß. Ihre Muskeln erlahmten. Das Gewicht der Chinesin zerrte an ihr, auch wenn Su Ling leicht und zierlich war. Aber Sonia war es nicht gewöhnt, Menschen mit sich zu schleppen. Und der Erdboden, der Hinterhof, wollte und wollte nicht näherkommen!
    Laß Su Ling einfach fallen! durchzuckte sie ein Gedanke. Sie soll doch ohnehin sterben! Und Sybil hat doch gesagt, daß es keinen großen Unterschied machen wird.
    Aber der Unterschied war vorhanden. Sonia wollte den Auftrag so perfekt wie möglich erledigen, um unter Beweis zu stellen, was sie konnte. Daß sie nicht immer den einfachsten aller Wege ging…
    Tiefer, Stufe um Stufe… Sah sie niemand? Schaute niemand gerade in diesem Moment aus seinem Zimmerfenster, trat kein Nachtschwärmer in den Hinterhof? Wurde sie nicht von den anderen Häusern aus beobachtet?
    Es schien alles glattzugehen!
    Da endlich, nach einer Ewigkeit, war sie unten. Sie ließ Su Ling einfach fallen und lehnte sich tief durchatmend an die Feuerleiter. Sie hatte es geschafft! Aber wie nun weiter?
    Und wieviel Zeit war vergangen?
    Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, daß nicht einmal zwanzig Minuten vergangen waren, seit sie das Hotel betreten hatte. Die Zeit war ihr wie Stunden vorgekommen.
    Su Ling regte sich. Sie erwachte langsam wieder. Sonia Parker betäubte sie erneut, diesmal gezielt. Sie hatte vor einem halben Jahr einen Selbstverteidigungskurs beendet. So etwas konnte durchaus brauchbar sein, hatte sie damals gedacht, âls sie sich anmeldete. Aber die Ausbildung war recht schnell und dürftig gewesen und ihr Geld nicht wert. Die Leute, die die Karate-Kurse anboten, waren auf schnelles Geld aus - und sie bildeten Schläger aus, keine Karatekas. Die Meditationsübungen und die ethische Lehre fehlten. Su Ling war es gleichgültig gewesen. Sie wollte nur lernen, wie man sich Angreifer vom Leibe hielt. Und dabei hatte sie auch gelernt, wie man Menschen für eine gewisse Zeit betäubt.
    Aber was jetzt?
    Sie sah sich im Hinterhof um. Ein schmaler Durchgang führte zwischen dem Hotel und einem angrenzenden Gebäude in eine Seitenstraße. Bis zur Hotelfront war es von hier aus nicht weit, und sie sah ein Taxi langsam vorbeirollen.
    Ein Taxi…
    Sie konnte aber schlecht ein Taxi rufen und die Bewußtlose einladen! Dann gab es in dem Taxifahrer einen Mitwisser…
    Andererseits: warum nicht? Sie mußte es nur geschickt genug anstellen. Schießlich war sie eine Frau, die sich zu helfen wußte!
    Sie rannte nach vorn zur Hauptstraße.
    Etwa zehn Minuten mußte sie warten, bis ein Taxi auftauchte und ein Paar in mittlerem Alter vor dem Hotel absetzte. Der Mann hielt sich noch lange damit auf, das Trinkgeld münzenweise abzuzählen. Dann endlich folgte er seiner Begleiterin schwankend die Marmorstufen hinauf, während der Taxifahrer schulterzuckend seinen Wagen wieder

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