0371 - Karawane der Dschinns
und schauten dabei auf sein Kreuz, das nicht fertig geworden war, und das er zwischen den Händen hielt.
»Es wird mich vor dem Bösen schützen«, hatte er immer wieder gesagt. »Niemand kann es überwinden. So wie die Propheten sagten, wird es eintreffen. Schon bald werde ich mit ihnen Zusammensein und auf euch hinabschauen. Deshalb möchte ich noch einmal darum bitten, daß ihr das Kloster verlaßt.«
Sie gingen nicht. Statt dessen nahmen sie den Sargdeckel hoch und stellten ihn auf das Unterteil, so daß beide Hälften fugendicht schlossen.
Dann gingen sie.
Nach drei Tagen erst kamen sie zurück.
Wieder öffneten sie den Sarg.
Vor ihnen lag ein Toter. Sein Gesicht war verzerrt, bläulich angelaufen, das Kreuz aber lag wie festgeschmiedet in seinen starren Händen. Er mußte einen schrecklichen Todeskampf hinter sich gehabthaben, aber er sollte für die Nachwelt erhalten bleiben, deshalb salbte man den toten Körper, entnahm ihm die Eingeweide, wickelte ihn in Tücher und wendete die überlieferten Techniken der Mumifizierung an.
Schließlich waren sie fertig und legten den Körper wieder zurück in den Sarg.
Dann vergaßen sie ihn. Aber nicht die Worte des Toten, denn er hatte sie vor den Dschinns gewarnt.
Die Mönche schickten Späher aus, die bewegungslos in der prallen Sonne auf den Hügeln hockten und in das hitzeflirrende Landhineinschauten. Zeit war für sie relativ geworden. Sie wußten, daß sich auch bei ihnen die Uhr des Schicksals nicht zurückdrehen ließ.
Und sie warteten nicht vergebens.
Das Böse kam.
Die auf den Hügeln sitzenden Späher entdeckten es zuerst. Es war die Stunde, wo der heiße Glutball der Sonne allmählich seine Farbe wechselte. Hatte er zuvor in einem Weißgelb gestrahlt, so wurde er allmählich dunkler.
Die Sonne sank tiefer und färbte den Himmel rot. Er sah aus, als würde er brennen.
Gleichzeitig fielen die Strahlen auch auf das noch von der Hitze erfüllte Land, tauchten es in den dunkelroten Schein, so daß die Wüste wie von einer dünnen Blutspur überzogen aussah.
Die Karawane schien geradewegs aus der Sonne hervorzureiten.
Nur wer sehr gute Augen besaß, konnte sie sehen, und die Späher besaßen scharfe Augen.
Sie sahen die Gestalten zwischen den Hügeln und den von den Hufen der Kamele aufgewirbelten Sand.
Da wußten sie Bescheid.
So rasch wie möglich liefen die Späher zurück und erstatteten Bericht. Die übrigen Mönche nahmen die Worte ihrer Brüder mit unbewegten Gesichtern entgegen.
Sie sagten nicht einmal etwas, nickten nur, und hinter den Klostermauern machte man sich bereit zum Sterben.
Inzwischen näherte sich die unheilvolle Karawane ihrem Ziel.
Hatten die zahlreichen Gestalten beim ersten Sichtkontakt noch wie ein zusammenhängender Pulk gewirkt, hätte ein Beobachter nun Genaueres sehen können.
Auseinandergezogen war die Reiterschar, und sie zählte sieben Kamele mit sieben wüsten Gestalten auf ihren Rücken.
Es waren die Bösen, die aus dem heißen Höllenfeuer entlassenen, die der Scheitan persönlich ausgeschickt hatte, um Unruhe zu stiften. Er hatte die Dschinns erschaffen und jeden einzelnen mit einer übermenschlichen Stärke ausgerüstet. In den Geschickten, die abends an den Lagerfeuern erzählt wurden, kannte man die Dschinns bereits. Man fürchtete sie und ihre Wanderungen durch die Zeiten, aber noch war es ihnen nicht gelungen, den Schnittpunkt zu überwinden und auf die Erde zu kommen.
Bis jemand das Kreuz nachbilden wollte. Und vor dem Kreuz fürchteten sie sich, denn es sollte, so sprach man flüsternd, ein Kreuz geben, das stärker war als alles andere.
Die Dschinns hatten es nicht gefunden, aber die Spur hatte sie zu dem Mann geführt, der mehr wußte.
Er lebte hinter den schützenden Mauern eines der Weißen Klöster, wie sie genannt wurden.
Endlich hatten sie eine Spur. Lange genug waren sie auf der Suche gewesen, und so konnte sie auch nichts und niemand davon abhalten, dem Kloster einen blutigen Besuch abzustatten.
Und blutig würde er werden, das stand für sie fest. Niemand sollte überleben und von ihren Taten berichten können. Sie kannten die Mönche, sie wußten davon, daß sie lieber starben, als sich und ihren Glauben zu verraten.
Und so hatten sie auch ihre gefährlichen Waffen mitgebracht. Die Krummschwerter, die schon so verheerende Blutbäder angerichtet hatten und magischen Gesetzen gehorchten.
An der Spitze der Karawane ritt Abu Ben Kolc. Er war vom Fürsten der Finsternis als Anführer
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