0371 - Karawane der Dschinns
lange durch die Zeiten zu ziehen, bis es einem gelingt, sie zu stoppen. Wir Kopten hoffen stark, daß Sie es sein werden, Mr. Sinclair.«
»Das weiß ich mittlerweile auch. Haben Sie die Dschinns eigentlich schon gesehen?«
»Ja.«
»Und? Gab es Tote, Verletzte…?«
»Nein, ich sah die Karawane nur für den Augenblick. Sie versuchte, die Zeiten zu durchbrechen. Sie bewegte sich am Schnittpunkt der Dimensionen entlang, wo sich das Diesseits und das Jenseits treffen. Bisher haben uns die Dschinns in Ruhe gelassen, aber sie verfolgen noch immer den Plan, Chamal Gossarah zu zerstören.«
»Er ist doch tot.«
»Für uns ja, aber nicht in ihrem Sinne. Sie würden seine Asche nehmen und sie über die Wüste verstreuen. Erst wenn das geschehen ist, können sie zufrieden sein.«
Ich warf einen Blick auf den offenen Sarg und sah auch das Gesicht des mumifizierten Menschen. Ich dachte an die blutenden Augen auf dem Heiligenbild. Die Zeit schien tatsächlich reif zu sein für eine Rückkehr der Karawane.
»Wenn ich Ihre Worte richtig interpretiere, hat Ihnen die Mumie gewissermaßen als Lockvogel gedient, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Meinen Sie, daß die Dschinns darauf reinfallen werden?«
»Das hoffe ich sehr, Mr. Sinclair. Wir müssen Ihnen die Falle stellen und sie locken. Auch mir ist es nicht leichtgefallen, den Sarg nach London zu schaffen. Aber hier haben wir ihn besser unter Kontrolle. Die Grabstätten in meinem Heimatland werden leider immer häufiger von Plünderern heimgesucht. Sie wissen, daß wir Kopten in Ägypten eine Minderheit bilden, zwar geschäftlich erfolgreich sind, aber über keine Lobby verfügen. Deshalb achtet man auch nicht so streng darauf, wenn unsere alten Kulturstätten ›besucht‹ werden.«
Ich enthielt mich einer Antwort. Al-Acham wußte über die Verhältnisse in seinem Heimatland besser Bescheid. Er stand vor mir und strich mit zwei Fingern über seinen Oberlippenbart.
»Werden Sie uns trotz allem helfen, Mr. Sinclair?«
»Das steht fest. Sie haben mein Interesse geweckt. Mich interessiert alles, was mit meinem Kreuz und dessen Herkunft in Verbindung steht.«
»Dann darf ich Ihnen schon jetzt herzlich danken.«
Ich winkte ab. »Danken Sie nicht jetzt schon. Noch haben wir nichts erreicht. Mir sind die Dschinns nicht einmal zu Gesicht gekommen, und ich frage mich, wo ich sie finden kann. Nur hier?«
»Das wäre schön«, erwiderte der Mann.
»Wie meinen Sie das?«
»Dann wären sie auf einen Punkt konzentriert. Ich bin davon überzeugt, daß sie keine Rücksicht nehmen und versuchen werden, London zu überfallen.«
»Ohne Grund?«
»Die Dschinns mit den goldenen Krummschwertern haben den Auftrag bekommen, ihre verderbliche Religion auf der ganzen Welt zu verbreiten, um allein dem Scheitan dienlich zu sein.«
Scheitan war der Ausdruck für Teufel. Sieh mal an. Der Kreis schloß sich wieder.
»Aber ich habe das Kreuz.«
»Das stimmt. Vielleicht werden Sie auch ihr Zielpunkt sein. Nur müssen Sie vorerst einen anderen töten. Chamal Gossarah darf nicht als Mumie weiterleben.«
»Gibt es unter den Dschinns einen Anführer?«
Al-Acham nickte. »Ja, der existiert. Er hört auf den Namen Abu Ben Kolc.«
»Den Namen werde ich mir merken. Vielleicht begegnet er mir mal.« Ich hob mein Kreuz. »Okay, bisher haben wir nur theoretisiert. Gibt es eine konkrete Spur zu dieser geheimnisvollen Karawane. Ich möchte nicht gern warten, bis irgendwelche Opfer gefunden werden.«
»Leider gibt es diese Spur nicht. Nur einige geheimnisvolle Hinweise. Vielleicht kann ich Ihnen einen Tip oder Rat geben. Halten Sie hier am Sarg Wache, bis sich etwas ereignet.«
»Wie lange kann das dauern?«
»Da bin ich überfragt.«
»Was meinen Sie, was mein Chef dazu sagt!«
»Das kann ich mir vorstellen, aber Sie können ihn gern von hier aus anrufen, damit…«
»Pst!« zischte ich, denn mir war etwas aufgefallen. Jemand mußte in der Nähe sein. Noch war er unsichtbar, aber es gab ihn, denn die Kerzenflammen spürten den fremden Einfluß ebenfalls.
Obwohl wir selbst keinen Luftzug an unseren Gesichtern spürten, begannen die Flammen zu flackern.
»Sehen Sie!« hauchte ich.
Der Ägypter schaute hin. Er ging einen Schritt zurück. Bleich war er plötzlich geworden. Er duckte sich ein wenig und schaute sichvorsichtig um.
»Ich glaube, daß wir nicht mehr lange zu warten brauchen!« raunte er. »Sie sind da.«
Mein Kreuz spürte es auch.
Zum erstenmal »meldete« es sich. In der Mitte des
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