0375 - Bluthand aus dem Jenseits
schon seltsam.«
»Auch du hast die Warnung verstanden, nicht?«
»Ja, mir kam er vor wie ein alter Minnesänger aus dem Hochmittelalter. Diese Leute überbrachten ja auch auf verschlüsselte Art und Weise ihre Nachrichten. Ich habe es jedenfalls als eine Warnung verstanden.« Ich schlug ihm auf die Schulter. »Komm, lass uns weiterfahren.«
»Wenn du meinst.«
Wir stiegen wieder in den Wagen. Der Motor stotterte kurz, bevor er ansprang. Diesmal lenkte Suko. Eigentlich hätten wir den Mann nach kurzer Zeit einholen müssen, aber von dem Musiker war nichts mehr zu sehen. Dabei fuhren wir auf einer langen Hügelkette entlang, und unser Blick reichte weit in eine wellige Ebene hinein, an deren Ende sich erst im Sonnendunst höhere Berge erhoben.
»Wo steckt der Kerl?«, fragte ich.
»Vielleicht hat er sich in die Büsche geschlagen?«
»Siehst du welche?«
»War auch nur so dahingesagt. Ich jedenfalls finde es komisch, dass wir ihn nicht mehr sehen. Hat er sich in Luft aufgelöst?«
Ich schabte über mein Nackenhaar. »Allmählich glaube ich auch daran. Diese Druiden sind mir unheimlich, Suko. Die kennen Kräfte, Mittel und Wege, von denen wir uns keinerlei Vorstellungen machen können. Ich hoffe nur, dass alles so harmlos bleibt wie die Begegnung mit diesem Flötenspieler.«
»War der wirklich harmlos?«, fragte Suko.
»Das sehe ich so.«
»Ich weniger.«
»Sag mir den Grund.«
Den brauchte Suko nicht zu nennen, den hörten wir plötzlich.
Und zwar hinter uns, im Wagen.
Dort klang das Flötenspiel auf. Diesmal nicht so jubilierend wie beim ersten Mal, überhaupt nicht freundlich, eher traurig, lethargisch oder düster.
Da Suko steuerte, konnte ich mich umdrehen. Ich verrenkte den Kopf, schaute über die Rückenlehne hinweg und sah die Gestalt mit überkreuzten Beinen im Wagen hocken.
Doch sie hatte sich verwandelt und zeigte ein dunkles Grau.
Ein Mann in Grau!
Wie in meiner Wohnung!
»Halt an!«, rief ich Suko zu, der seinen Fuß bereits auf das Bremspedal gesenkt hatte. Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass dieser an Papageno erinnernde Flötenspieler und der Mann in Grau ein- und dieselbe Person waren. Wie er in den Wagen gelangt war, war mir rätselhaft, aber das sollte er mir erklären, wenn ich ihn mir schnappte.
Er spielte weiter, ließ sich von mir nicht stören, und ich bemühte mich, zwischen den beiden Vordersitzen nach hinten zu klettern, wo der andere hockte.
Er trug nicht mehr seine bunte Kleidung. Jetzt wirkte er in dem düsteren Schwarz wie ein gefährlicher Schatten, aus dem sein Gesicht so flach und grau hervorstach.
Ich hatte es geschafft, war nach hinten gekommen und wollte den Kerl zu mir heranziehen.
Meine Hand griff ins Leere!
Von einer Sekunde zur anderen hatte er sich buchstäblich in Luft aufgelöst.
Ein Phänomen!
Auch Suko hatte mitbekommen, wie es mir ergangen war. Wir hörten das Flötenspiel, das jetzt aus dem Unsichtbaren hervor an unsere Ohren drang und so schrille Töne hervorbrachte, dass ich fast Ohrenschmerzen bekam. Gleichzeitig durchtoste ein Schütteln unser Fahrzeug, das sich ebenfalls auf unsere Körper übertrug und uns beide zur gleichen Zeit warnte.
Wir schauten uns an.
»John, wir sollten den Wagen verlassen«, schlug Suko vor. »Mein Gefühl sagt mir, dass wir hier in einer Falle sitzen.«
»Dann weg!«
Gemeinsam stießen wir die Türen auf. Ich schnappte mir noch meinen Einsatzkoffer und nahm auch noch das leichte Handgepäck mit. Kaum hatten wir beide den Leihwagen verlassen und standen draußen, als wir das Knirschen vernahmen.
Vor unseren Augen verbog sich das Blech, als hätte es jemand erhitzt. Es war kaum zu fassen. Der Wagen stand auf dem Fleck, aber wurde immer mehr zusammengedrückt. Von allen vier Seiten drückten für uns nicht sichtbare Kräfte gegen ihn, sodass er allmählich einer Ziehharmonika glich, in die hinein das Glas der zerplatzenden und zerbrechenden Scheiben bröselte.
Der Wagen wurde vor unseren Augen zu einem Trümmerhaufen zusammengedrückt.
Wir standen da, staunten wie die Kinder, und ich hatte eine Idee, als ich das Kreuz hervorholte.
Der leichte grüne Schimmer war nicht zu übersehen. Ein Indiz dafür, dass sich in unserer unmittelbaren Nähe die gefährliche Magie der Druiden aufhielt.
Ich wollte vorgehen und den Wagen mit meinem Kreuz berühren, als mich Suko zurückhielt. »Lass es lieber, John. Hinterher fliegt der Schrotthaufen noch in die Luft.«
»Abwarten.«
Da der Wagen bisher noch nicht
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