0379 - Das Tor zur Hölle
der Shift schneller sank. Er glitt an zwei, drei anderen Fahrzeugen vorbei, bis deren Piloten das Gebot des Augenblicks ebenfalls begriffen und ihre Sinkgeschwindigkeit erhöhten. Flagg verfolgte die Vorgänge in der Tiefe auf dem Orterschirm.
„Die Vorhut steckt bis zum Hals im Dreck", stieß er hervor. „Sie haben mindestens einhundert schwerkalibrige Geschütze gegen sich!"
Eine Nachfrage beim Kommandofahrzeug ergab, daß der Einsturz sich etwa zwei Kilometer stolleneinwärts ereignet hatte. Laffitte bemerkte: „Das riecht nach Taktik. Alle auf einmal sind wir für die Maahks zuviel. Wenn sie uns in kleine Gruppen aufspalten können, indem sie hier und dort den Stollen zum Einsturz bringen, haben sie mehr Aussicht auf Erfolg."
Knapp eine Minute später tauchte der Schachtboden im Licht der Scheinwerfer auf. Wynn war der erste seiner Gruppe, der sein Fahrzeug landete. Der Stollen, zwanzig Meter breit und etwa zwölf Meter hoch, führte in südlicher Richtung vom Schachtende fort. Das Licht von vielen Fahrzeugscheinwerfern spiegelte sich in den glatten Wänden.
Der Shift glitt in den Stollen. Die drei Roboter bewegten sich unmittelbar vor dem Fahrzeug, jeden Augenblick zum Aufsitzen bereit. Wynn sah drei Shifts und einen Panzer in breiter Front vor sich und zwei weitere Shifts hinter sich. Die Gewißheit, nicht allein zu sein, gab ihm neue Zuversicht. Es schien plötzlich lächerlich, zu glauben, daß ein Gegner, der die erste Offensive oben auf der Eisebene mit solchem Ungeschick lanciert hatte, in der Lage sein sollte, einem kampfstarken Trupp von mehr als einhundert schwerbewaffneten Fahrzeugen ernsthaft gefährlich zu werden. In jedem Augenblick, davon war er überzeugt, würde von vorn die Meldung kommen, daß die Vorhut den feindlichen Angriff zurückgeschlagen hatte und der Stollen wieder frei war.
Statt dessen kam etwas ganz anderes.
Der Reflex auf Flaggs Orterschirm war so grell, daß er Wynn von der Seite her in die Augen stach.
„Verdammt", knurrte Flagg, „das war nahe!"
Eine Zehntelsekunde später fing der Schacht an einzustürzen.
Wynns Shift war erst einhundert Meter vom Schachtausgang entfernt. Im Widerschein der Lampen sah er deutlich, wie mächtige Gesteinsmassen jenseits der Öffnung zu Boden stürzten. Ein neues Geräusch wurde hörbar: Das Donnern aufprallenden Gesteins, das sich durch die dichte Atmosphäre den Aufbauten des Fahrzeugs mitteilte und von den Helmmikrophonen aufgefangen wurde. Eine mächtige Staubwolke drang aus der Schachtöffnung, brauste durch den Stollen und hüllte den Shift in dichten, milchigweißen Nebel, der die Strahlen der Scheinwerfer nach zwei Metern verschluckte.
„Laffitte, Bonmarchal!" rief Wynn. „Die Geschütze!"
Der Staub wurde dichter. Die deutliche Sichtweite war gleich Null. Der Shift befand sich in einem von den Lampen weißlich angestrahlten Sack, der sich hauteng um die Aufbauten legte.
Von vorne kam eine Meldung: „Morris-acht an alle Fahrzeuge! Ich stoße dreihundert Meter stolleneinwärts auf eine frische Einbruchstelle. Der Stollen ist völlig verschüttet. Ich brauche Desintegratoren, um weiterzukommen. Ist ein Panzer in der Nähe, der mir aushelfen kann?"
Der Empfänger stand auf Rundspruch. Morris-acht erhielt keine Antwort. Die Kampfpanzer hatten die jüngste Einbruchstelle schon passiert.
„Sir!" rief Flagg.
Wynn sah auf den Orterschirm. Der langwelligen Strahlung des Tasters machte der Staub wenig zu schaffen. Die Kontur des Stollens war auf dem Schirm deutlich abgezeichnet, aber das Bild hatte sich merkwürdig verändert, seit Wynn es zum letztenmal gesehen hatte. Die glatten Wände hatten Pockennarben bekommen. Unregelmäßig verteilt, zogen sie sich den Stollen entlang, soweit die Tasterstrahlen reichten. Wynn dachte zuerst an eine Folgeerscheinung der beiden Einstürze, aber dann sah er, wie sich in einer der Narben etwas bewegte. Er kniff die Augen zusammen und erkannte eine würfelförmige Silhouette, die sich durch die Narbe hindurch aus der Wand zu schieben schien. Plötzlich war ihm die Bedeutung der Narben offenbar. Sie waren die Mündungen von Gängen, die von außen her zur Stollenwand führten. Feindliche Roboter hatten sie in aller Eile erstellt, um dem Gegner ungehinderten Zugang zu den eingeschlossenen Terranern zu geben.
Wynn überflog das Bild. Auch in anderen Gangmündungen zeigte sich Bewegung. Wynn sprach in sein Heimmikrophon: „Morris-siebzehn an alle! Ein konzentrierter Angriff des Gegners steht
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