038 - Der Rächer
»Wenn ich Ihren Rat brauche, werde ich Sie darum fragen. Im Moment sind Sie mir hier zuviel. Sie sind überall besser am Platz als gerade hier.«
Reggie Connolly zuckte verärgert die Schultern und entfernte sich. Er war fest davon überzeugt, dass dieser Film ein böser Misserfolg werden würde, aber er lehnte jede Verantwortung ab - er hatte ja den Direktor gewarnt.
In dem großen Torweg von Griff Towers stand Gregory Penne und betrachtete aufmerksam die ganze Gesellschaft. Er war ein starker, untersetzter Mann von dunkler Farbe. Sein großer Appetit und der Aufenthalt in Borneo waren schuld daran. Viele Runzeln und Falten durchzogen sein von Tropensonne und Rauschgiften zerstörtes Gesicht. Die zusammengekniffenen Augenlider markierten sich nur als zwei waagerechte Striche. Nur das runde, weiche, fast frauenhafte Kinn hatte seine ursprüngliche Form behalten.
Mike folgte ihm mit seinen Blicken, als er auf sie zuging, und vermutete, dass er Sir Gregory vor sich hatte. Er trug einen auffällig karierten Golfanzug von rötlicher Färbung; eine Mütze aus demselben Stoff hatte er tief ins Gesicht gezogen. Jetzt nahm er die Zigarre aus seinem Mund und drehte mit einer schnellen, eckigen Bewegung die Enden seines Schnurrbartes in die Höhe.
»Guten Morgen, Knebworth!« rief er. Seine Stimme war rau und hart. Niemals hatte ein Lachen ihren barschen Ton gemildert.
»Guten Morgen, Sir Gregory!« Der alte Knebworth trennte sich von seinen Leuten. »Es tut mir leid, dass ich so spät komme.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte der andere. »Ich dachte mir. nur, Sie würden früher mit den Aufnahmen anfangen. Haben Sie mein kleines Mädel mitgebracht?«
»Ihr kleines Mädel?« Jack sah ihn verständnislos an. »Meinen Sie die Mendoza? Nein, die kommt heute nicht.«
»Nein, nicht die Mendoza. Ich sehe sie schon - die dunkle da. Aber nichts für ungut, ich habe nur einen Spaß gemacht.«
Wer, zum Donnerwetter, sollte denn bloß das kleine Mädel sein? dachte Jack. Er konnte ja nicht wissen, welche unangenehmen Erfahrungen eine seiner Statistinnen früher hier machen musste. Das Rätsel sollte sich aber bald lösen, denn der Baron ging langsam zu Helen Leamington, die eifrig in ihrem Manuskript las.
»Guten Morgen, hübsches Fräulein«, sagte er. Dabei hob er seine Kappe kaum einen halben Zentimeter in die Höhe. »Guten Morgen, Sir Gregory«, sagte sie kühl.
»Sie haben Ihr Versprechen nicht gehalten?« Er schüttelte den Kopf. »Ja, die Weiber!«
»Ich könnte mich nicht erinnern, Ihnen ein Versprechen gegeben zu haben«, sagte das Mädchen ruhig. »Sie luden mich zum Abendbrot ein, aber ich sagte Ihnen, dass ich auf keinen Fall kommen würde.«
»Ich wollte Ihnen doch meinen Wagen schicken, damit Sie nicht die Entschuldigung hätten, dass der Weg zu weit für Sie wäre. Aber das macht nichts - macht gar nichts.«
Mike war wütend, als er sah, wie er Helen in den Arm kniff. Gregory wollte sich als väterlicher Freund aufspielen, aber das Mädchen fühlte sich dadurch abgestoßen und beleidigt. Mit einem Ruck machte sie ihren Arm frei, drehte dem aufdringlichen Menschen den Rücken und ging zu Jack Knebworth hinüber. Sie fragte ihn, ob er ihr helfen könne, eine Zeile zu lesen, obwohl diese ganz klar geschrieben war. Der alte Jack wusste Bescheid. Er hatte alles, was vorging, unter seinen fast geschlossenen Augenlidern beobachtet. Das soll das letzte Mal sein, dass wir in Griff Towers Aufnahmen machen, sagte er zu sich.
Jack Knebworth hielt sehr auf guten Ton und anständiges Betragen, und seine Ansichten über Frauen waren denen Gregory Pennes gerade entgegengesetzt.
7
Die Filmleute gingen nach hinten zur Aufnahme und ließen Mike Brixan mit dem Baron allein. Gregory Penne sah dem Mädchen mit glänzenden Augen nach. Als er sich umdrehte, bemerkte er Brixan und warf ihm einen kühlen und geringschätzigen Blick zu.
»Wer sind Sie?« fragte er, indem er den Detektiv von oben bis unten ansah.
»Ich bin ein Statist«, sagte Brixan.
»Ein Statist? So einer von der Komparserie? Die ihr Gesicht mir Farbe und Schminke bemalen? Das ist doch kein Beruf für ... einen Mann!«
»Es gibt noch schlechtere Berufe«, sagte Brixan, indem er seine Abneigung gegen den Mann niederkämpfte. »Kennen Sie das kleine Mädel?« fragte der Baron. »Wie heißt sie doch gleich - Leamington?«
»Ich bin gut mit ihr befreundet«, log Brixan. »Ach, sehen Sie mal an«, sagte der Baron und wurde plötzlich
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