038 - Der Rächer
vor fünf lief sie zur Tür und schaute die Straße entlang. Als es aber fünf Uhr schlug, wurde sie ärgerlich und setzte sich mit philosophischer Ruhe über ihre Einladung hinweg. Sie trank ihren Tee allein, und als sie fertig war, ließ sie abräumen.
Mike hatte es vergessen!
Sie erfand Entschuldigungen für ihn, verwarf sie und suchte doch wieder nach neuen. Erst war sie beleidigt, dann fasste sie die Sache von der humoristischen Seite auf, fühlte sich aber doch verletzt. Schließlich ging sie auf ihr Zimmer, drehte das Licht an, zog ihr Manuskript aus der Mappe und versuchte, die Szenen durchzuarbeiten, die am nächsten Tag gedreht werden sollten. Aber alles lenkte sie von ihrer Arbeit ab. Sie musste viel an Mike denken, dann an das geschlossene Auto und an Lawley Foß. Sie sah die weiße Hand mit dem Diamantring vor sich, die zum Abschied winkte, als der Wagen davonfuhr. Merkwürdigerweise kam sie in ihren Gedanken immer wieder auf das geschlossene Auto zurück ...
Schließlich legte sie das Manuskript hin und stand auf. Sie schaute unschlüssig zu ihrem Bett hinüber. Es war erst neun, und sie fühlte sich noch nicht müde. Chichester bot wenig Zerstreuungen zur sich einen Film anzusehen. Sie setzte aber doch ihren Hut auf und ging nach unten. Als sie an der Küche vorbeikam, sagte sie zu ihrer Wirtin:
»Ich gehe jetzt noch eine Viertelstunde spazieren.« Das Haus, in dem sie wohnte, lag in einer kleinen Villenstraße, die nicht sehr hell erleuchtet war. Es gab manche dunkle Stellen, zu denen das Licht der Laternen nur spärlich drang. An einem solchen Ort wartete ein Auto. Sie sah schwache Umrisse, bevor sie es richtig erkennen konnte und wunderte sich, dass das Schlusslicht nicht brannte. Als sie näher kam, erkannte sie denselben Wagen, den sie in der vorigen Nacht gesehen, und mit dessen Insassen Foß gesprochen hatte. Ins Wageninnere konnte sie nicht sehen. Die Vorhänge waren an der Straßenseite heruntergezogen. Sie glaubte schon, der Wagen sei leer, aber plötzlich hörte sie eine Stimme flüstern: »Fräulein - kommen Sie mit mir . . .?«
Wieder kam die weiße Hand durch den Spalt des halbgeschlossenen Fensters, und ein großer Diamant blitzte auf. In einer Anwandlung von unerklärlicher Furcht eilte sie weiter.
Sie hörte, wie der Motor ansprang. Der Wagen folgte ihr. Sie lief, so schnell sie konnte. An der Ecke der Straße sah sie einen Mann stehen. Es war ein Polizist, und sie lief zu ihm hin. »Was ist Ihnen denn passiert, mein Fräulein?« Als sie sprach, fuhr der Wagen an ihr vorbei, bog um die Ecke und kam außer Sicht. »Ein Mann aus jenem Wagen hat mich angesprochen«, sagte sie atemlos.
Der Polizist schaute dem Wagen nach. Vergebens. Er war fort. »Er hatte keine Schlusslichter«, sagte er dann verdutzt. »Ich hätte sonst seine Nummer feststellen können. Hat er Sie belästigt?«
Sie schüttelte den Kopf, da sie sich ihrer Furcht schämte. »Ich bin etwas nervös«, lächelte sie, »ich werde wieder nach Hause gehen.«
Sie machte kehrt und eilte zu ihrer Wohnung. Wenn man Diva war, hatte man eben auch Unannehmlichkeiten - selbst bei der bescheidenen Filmgesellschaft von Jack Knebworth. Man wurde nervös dabei.
Sie schlief ein und träumte, dass der Mann in dem Auto Mike Brixan war und sie einlud, zu ihm zu kommen, um mit ihm Tee zu trinken.
Es war schon nach Mitternacht, als Mike Jack Knebworth anläutete und ihm die letzte Neuigkeit durchgab.
»Foß?« rief er entsetzt. »Sie meinen das doch nicht etwa wirklich, Brixan? Soll ich zu Ihnen kommen?«
»Ich werde Sie aufsuchen«, sagte Mike. »Ich muss noch verschiedenes von Ihnen über Foß erfahren, und es wird weniger Aufsehen erregen, als wenn Sie mich hier im Hotel besuchen.«
Jack Knebworth hatte ein Haus in der Arundel Road gemietet und wartete am Gartentor, um seinen Besucher einzulassen. Mike erzählte ihm von der Entdeckung des Kopfes, und er glaubte Jack Knebsworth so weit einweihen zu dürfen, dass er ihm über seinen Besuch bei Sir Gregory Penne ausführlich berichtete. »Das übersteigt doch alles«, sagte Jack mit heiserer Stimme. »Der arme Foß! Glauben Sie, dass Penne es getan hat? Ich könnte mir nicht denken, warum. Man schneidet doch nicht jemandem den Kopf ab, der nur Geld leihen will.« »Meine Ansicht hat sich etwas gewandelt«, sagte Mike. »Sie erinnern sich doch noch an das Blatt, das ich in dem Manuskript von Miss Leamington fand. Ich deutete Ihnen damals an, dass es vom Kopfjäger geschrieben sein
Weitere Kostenlose Bücher