038 - Verbotene Sehnsucht
nur eine begrenzte Anzahl von Erinnerungen an ihn. Und es wird keine weiteren geben."
Sie hielt inne und schaute mit leerem Blick die Straße hinab. Er erwiderte nichts.
Dies war eine sehr persönliche Angelegenheit. Sie sollte nicht mit jemandem darüber reden, der praktisch ein Fremder für sie war. Aber er war an jenem fernen Ort gewesen, an dem Reynaud gestorben war. In gewisserWeise war er ein Teil von Reynaud.
Abermals seufzte sie. „Als wir Kinder waren, hatten wir ein Märchenbuch, das wir uns besonders gern ansahen. Reynaud hat diese Geschichten sehr geliebt. Ich erinnere mich nicht mehr genau, worum es eigentlich ging, aber manchmal denke ich, wenn ich sie nur wieder lesen könnte ..." Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie abschweifte. Sie sah ihn an.
Mr. Hartley erwiderte ihren Blick und neigte interessiert den Kopf, als wolle er sie zum Weitersprechen auffordern.
Ungeduldig winkte sie ab. „Das Buch tut nichts weiter zur Sache. Wenn ich jedoch herausfinden könnte, wie seine letzten Stunden waren, würde er in meiner Erinnerung noch ein kleines bisschen länger leben. Und es macht überhaupt nichts, wenn diese letzten Augenblicke schrecklich waren, verstehen Sie? Sie sind Reynauds letzte Augenblicke und daher kostbar. Sie bringen mich ihm näher."
Bedächtig zog er die Brauen zusammen und senkte den Kopf. „Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen."
„Wirklich?", fragte sie ungläubig. „Verstehen Sie es wirklich?" Wenn ja, dann wäre er der Erste. Nicht einmal Tante Cristelle konnte ihr Bedürfnis, alles darüber herauszufinden, was Rey-naud während dieser letzten Tage geschehen war, gänzlich nachvollziehen. Verwundert sah sie ihn an, und auf einmal kam ihr ein Gedanke: Vielleicht war er ja wirklich anders als andere Männer. Welch seltsame Vorstellung.
Als er wieder aufsah, begegnete er ihrem Blick. Ein feines Lächeln spielte um seine sinnlichen Lippen. „Was für eine furchterregende Frau Sie doch sind. Sie können einem geradezu Angst machen."
Und zu ihrem ehrlichen Entsetzen wurde Emeline gewahr, dass sie Samuel Hartley wohl mögen könnte. Ihn zu sehr mögen könnte. Rasch sah sie wieder nach vorn und holte tief Luft. „Erzählen Sie es mir doch einfach."
Er tat nicht länger so, als wisse er nicht, was sie meinte. „Ich versuche herauszufinden, wie es zu dem Massaker von Spinner's Falls kommen konnte.
Zufällig sind die Wyandot bestimmt nicht auf unser Regiment gestoßen." Er wandte sich ihr zu, und als sie ihn ansah, waren seine Augen kalt, hart und entschlossen. „Ich glaube, dass wir verraten wurden."
4. KAPITEL
Der alte Mann war in schmutzige Lumpen gehüllt. Es schien Eisenherz höchst unwahrscheinlich, dass ein solch verwahrloster Gesell ihm behilflich sein könnte, die Prinzessin zu heiraten. Doch als er sich abwandte, packte der Alte ihn beim Arm.
„Halt, hör mir zu! Du wirst in einem marmornen Schloss leben, mit Prinzessin Sonnentrost als deiner Braut. Du wirst seidene Roben tragen, und Diener werden dir jeden deiner Wünsche erfüllen. Du brauchst nicht mehr zu tun, als meinen Anweisungen zu folgen."
„Und die wären?", fragte Eisenherz.
Der alte Zauberer grinste - denn natürlich war das alte Männlein ein Zauberer, denn nur Zauberer sind so wissend und mächtig. „Du darfst sieben Jahre kein einziges Wort sprechen."
Eisenherz starrte ihn an. „ Und wenn ich das nicht schaffe?"
„Wenn du ein Wort sagst - wenn du nur einen einzigen Laut von dir gibst wirst du wieder in Lumpen leben, und Prinzessin Sonnentrost muss sterben."
Euch mag das wohl kaum als lohnender Handel erscheinen, aber vergesst bitte nicht, dass Eisenherz derzeit die Straßen der Strahlenden Stadt kehrte. Er blickte auf seine Füße hinab, die in zerlumptem Leder steckten, dann hinüber zur Gosse, in die er sich des Nachts betten würde - und letztlich tat er das Einzige, das ihm zu tun blieb.
Er ließ sich auf den Handel des Zauberers ein ...
Eisenherz
In dieser Nacht war der Mond von Wolken verhangen. Sam blieb kurz im Dunkel eines Hauseingangs stehen und sah zum Himmel hinauf. Der Mond war zudem abnehmend, weshalb sein Licht auch dann spärlich wäre, sollte er doch noch hinter den Wolken hervorkommen. Ihm sollte die Dunkelheit recht sein. Die perfekte Nacht, um auf die Jagd zu gehen.
Sam lief weiter, bog in eine schmale Gasse ein und zog leichtfüßig an einer formlosen Gestalt vorbei, die an der Hauswand kauerte. Das Menschenbündel rührte sich nicht, aber eine Katze, die
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