038 - Verbotene Sehnsucht
schon schmutzfarben."
„Ganz genau."
Emeline betrachtete ihre Freundin prüfend. „Mit deinem schönen blonden Haar ..."
„Aschblond", berichtigte sie Melisande. „Passend zum Kleid."
„Nein, es ist blond", beharrte Emeline. „Nur eben sehr dezent."
„Aschblondes Haar, aschgraue Augen, aschfahle Haut ..."
„Deine Haut ist nicht aschfahl", wies Emeline sie streng zurecht und hätte sich treten können, als sie ihren Fauxpas bemerkte. Es hatte keineswegs so klingen sollen, als wäre der Rest ihrer Freundin tatsächlich aschfarben.
Melisande bedachte sie mit spöttischem Blick.
„Wenn du nur lebhaftere Farben tragen würdest", schickte Emeline rasch hinterher.
„Ein schönes tiefdunkles Pflaumenblau zum Beispiel. Oder ein sattes Dunkelrot. In Purpur würde ich dich gern mal sehen."
„Darauf kannst du lange warten", beschied ihre Freundin. „Aber du hast mir eben von deinem neuen Nachbarn erzählen wollen."
„Er ist impertinent."
„Das sagtest du bereits."
Emeline überhörte es geflissentlich. „Und ich wüsste wirklich gern, was er nachts so treibt."
Melisande hob kaum merklich eine Braue.
„Das habe ich nicht gemeint!", schnaubte Emeline und knuffte ein Kissen.
„Das beruhigt mich", erwiderte Melisande. „Doch frage ich mich, was wohl Lord Vale von diesem mysteriösen Fremden aus den Kolonien halten würde."
Emeline starrte sie an. „Jasper hat überhaupt nichts mit Mr. Hartley zu tun."
„Bist du dir da sicher? Würde er deinen Umgang mit diesem Mann gutheißen?"
Emeline krauste die Nase. „Ich will jetzt nicht über Jasper reden."
„Ich muss schon sagen, dass ich Lord Vales halber höchst entrüstet bin", kam es leidenschaftslos von Melisande, während sie einen Löffel Zucker in ihrem Tee versenkte.
„Jasper wäre sicher geschmeichelt, wenn er es wüsste." Emeline ließ sich auf der Kante eines schönen, mit Goldsamt bespannten Stuhls nieder. Ihre Gedanken kehrten von Lord Vale sogleich zu ihrem Ausgangsthema zurück. „Ich frage nur deshalb, weil ich Mr. Hartley gestern Abend zu recht später Stunde begegnet bin. Ich kehrte von Emily Turners Soirée zurück - du hattest übrigens recht, ich hätte gar nicht erst nicht hingehen sollen ..."
„Habe ich dir ja gesagt."
„Ja, hast du! Und habe ich dir gerade recht gegeben oder nicht?" Emeline wippte ungehalten auf ihrem Stuhl. Melisande konnte bisweilen so besserwisserisch sein!
„Egal. Also, ich habe ihn gestern Abend gesehen, wie er in höchst verdächtiger Manier in einer dunklen Gasse herumlungerte."
„Vielleicht verdient er sich seinen Lebensunterhalt als Straßenräuber", schlug Melisande vor und nahm den Teller mit Naschwerk in Augenschein, der dankenswerterweise zum Tee gereicht worden war.
Emeline runzelte irritiert die Stirn. Manchmal wusste sie wirklich nicht, ob ihre Freundin scherzte oder nicht. „Davon gehe ich nicht aus."
„Das beruhigt mich", sagte Melisande und nahm sich ein kleines blassgelbes Törtchen.
„Wenngleich er sich nahezu lautlos an einen heranschleichen kann", überlegte Emeline laut. „Was für einen Taschendieb gewiss sehr hilfreich wäre."
Da Melisande mittlerweile das Törtchen im Mund hatte, hob sie nur die Brauen.
„Aber nein. Nein, das glaube ich nicht." Entschieden schüttelte Emeline den Kopf.
„Unsinn. Mr. Hartley ist kein Straßendieb. Womit wir wieder bei der Frage wären, was er zu so später noch draußen getrieben hat."
Melisande schluckte die Reste des Törtchens hinunter. „Die Vermutung liegt nahe, dass er ein Stelldichein hatte."
„Nein."
„Nein?"
„Nein." Emeline wusste selbst nicht, warum die Vermutung ihrer Freundin sie so aufbrachte. Wie Melisande ganz richtig meinte, lag dieser Gedanke nahe. Emeline holte tief Luft. „Ich habe ihn gefragt, und er hat ganz offen erwidert, dass er nicht bei einer Dame war."
Melisande räusperte sich. „Du hast einen Gentleman gefragt, ob er von einem Stelldichein käme?"
Emeline errötete verlegen. „Du drehst einem immer das Wort im Mund herum."
„Ich habe nur wiederholt, was du gesagt hast."
„Nein, so war es nicht. Ich habe ihn lediglich gefragt, was er so spät draußen mache, und er hat geantwortet, was ich eben gesagt habe. Es war alles sehr schicklich."
„Kam dir gar nicht der Gedanke, dass er es dir niemals ins Gesicht sagen würde, wenn dem so gewesen wäre?"
„Er hat mich nicht angelogen." Emeline war sich bewusst, dass sie sich zu sehr echauffierte. Ihre Wangen und ihr Hals glühten.
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