038 - Verbotene Sehnsucht

prächtige Mannsbilder?" Lady Hasselthorpe flatterte auf sie zu. Heute trug ihre Gastgeberin rosa getupftes Kattun über gar noch weiteren Paniers als gestern. Unzählige rosa und grüne Bänder zierten ihre aufwändig drapierten Röcke, und in der Hand hielt sie einen weißen Schäferstab. Allem Anschein nach gab sie heute die Schäferin, wenngleich Emeline bezweifelte, dass es viele Schäferinnen gab, die zum Schafehüten Paniers anlegten. „Ich könnte stundenlang zusehen, wie die Gentlemen ihr Können unter Beweis stellen."
    Sie wurde von einem lauten Peng! unterbrochen.
    Melisande fuhr erschrocken zusammen. „Ja, ganz herrlich", sagte sie und lächelte bemüht.
    „Oh, und als Nächstes ist Mr. Hartley mit seinem komischen Gewehr dran." Mit zusammengekniffenen Augen starrte Lady Hasselthorpe zu den Gentlemen hinüber -
    alle Welt wusste, dass sie kurzsichtig war, doch sie weigerte sich, eine Brille zu tragen. „Kann man mit so einem langen Lauf denn überhaupt anständig schießen?
    Vielleicht explodiert es ihm ja. Das wäre doch aufregend!"
    „Allerdings", sagte Emeline trocken.
    Samuel trat als Nächster vor, und einen Augenblick lang stand er völlig reglos und blickte starr geradeaus auf die Zielscheibe. Emeline runzelte die Stirn und fragte sich, was er da wohl tat. Und dann, ehe sie sich's versah, hob er das Gewehr an die Schulter, zielte und schoss.
    Im Publikum herrschte gebanntes Schweigen. Der Diener schritt mitsamt Farbe und Pinsel wieder an die Zielscheibe. Samuel hatte sich längst abgewandt, während alle noch gespannt darauf warteten zu sehen, wo die Kugel getroffen hatte. Feierlich malte der Diener einen Kreis genau mittig auf die Scheibe.
    „Volltreffer, alle Achtung", murmelte einer der Gentlemen schließlich.
    Die Damen begannen zu klatschen, und die Herren scharten sich um Samuel und wollten sein Gewehr in Augenschein nehmen.
    „Mein Gott, wie mir dieser Lärm zuwider ist", murmelte Melisande und ließ die Hände sinken.
    „Du hättest dir ein wenig Mull in die Ohren stecken sollen", meinte Emeline, in Gedanken anderswo.
    Alles war so schnell gegangen. Samuel hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er geschossen hatte. Weder als er die Waffe angelegt und gezielt hatte noch als der Schuss mit einem lauten Knall losgegangen war - und auch dann nicht, als der Pulverdampf aus dem Lauf und über ihn hinweggeweht war. Auch die anderen Gentlemen wussten gekonnt mit der Waffe umzugehen, denn natürlich gingen sie recht häufig auf die Jagd oder schössen auf Landpartien vergnüglich um die Wette.
    Aber keiner von ihnen hatte sich so souverän gezeigt wie Samuel. Sie konnte sich gut vorstellen, dass er auch im Dunkeln sein Ziel träfe. Oder während er rannte.

    Oder während eines feindlichen Angriffs. Vermutlich hatte er all das auch schon getan.
    „Gute Idee", meinte Melisande. „Es wäre meinem Aussehen gewiss zuträglich, wenn mir wie einem Hasen weiße Büschel aus den Ohren wüchsen."
    Als Emeline sich ihre Freundin mit Hasenohren vorstellte, musste sie lachen und merkte, wie Samuel sich nach ihr umdrehte. Der Atem stockte ihr, als ihre Blicke sich trafen. Einen Moment sah er sie an - und wie seltsam, dass ihr auch aus dieser Entfernung seine dunklen Augen so eindringlich waren dann sprach Lord Hasselthorpe ihn an, und er wandte sich ab. Emeline spürte, wie ihr das Blut in den Schläfen pochte.
    „Was soll ich nur tun?", flüsterte sie.
    „Verdammt guter Schuss", bemerkte Vale hinter Sam.
    „Danke", erwiderte Sam, ohne den Blick von ihrem Gastgeber zu nehmen, der sich eben zum Schuss bereit machte. Hasselthorpe stellte sich in Position, hatte die Füße aber viel zu dicht beisammen, weshalb er Gefahr lief, beim Abfeuern empfindlich aus dem Gleichgewicht zu geraten.
    „Aber Sie waren ja schon immer ein guter Schütze", fuhr Vale fort. „Erinnern Sie sich noch an die fünf Eichhörnchen, die Sie uns mal zum Abendessen erlegt hatten?"
    Sam tat es mit einem Achselzucken ab. „Hat nicht viel genützt, oder? Die bedeckten kaum den Boden des Topfes. War nicht viel dran an den armen Viechern. Und zäh waren sie noch dazu."
    Er war sich allzu bewusst, dass Lady Emeline keine zehn Schritt von ihm entfernt stand. Sie und ihre Freundin hatten die Köpfe zusammengesteckt, und er fragte sich, worüber die beiden Damen wohl redeten. Wenn er sie ansah, wich sie seinem Blick aus.
    „Zäh oder nicht, Frischfleisch war immer eine willkommene Abwechslung. Wetten, dass Hasselthorpe gleich