0382 - Höllen-Friedhof
probierst.«
»Später gern, doch jetzt…«
Lo King nickte. »Ja, ich verstehe dich. Wäre mir das gleiche passiert wie dir, hätte auch ich keinen Hunger gehabt. Aber eine Tasse Tee darf ich dir doch anbieten – oder?«
»Gern.«
»Dann wären wir uns ja einig.«
»Ich warte im Lokal auf dich«, erklärte Shao. »Da ist ja noch eine Nische frei.«
»Habe nichts dagegen.«
Sie gingen wieder zurück. Suko hatte den Würfel nicht losgelassen. Seine Gedanken drehten sich um ihn, und er fragte sich, was sich Kamikaze noch alles einfallen lassen würde. Da er so in Gedanken versunken daherging, achtete er auch nicht zu stark auf die Umgebung und merkte nicht, daß sich etwas verändert hatte.
Die Atmosphäre innerhalb des Lokals war sehr ruhig geworden.
Unnatürlich ruhig sogar, bis auf das leise Schluchzen oder Wimmern, das sie beim Näherkommen vernahmen.
In Sukos Innern schlug die Alarmglocke an. Leider zu spät, denn Kamikazes Stimme schallte ihm entgegen. »Komm ruhig her, Chinese, und schau dir das an!«
»O Gott.« Es war Shao, die das Wort ausgestoßen hatte, ansonsten von Suko zurückgedrängt wurde und dort warten sollte, wo die Theke endete und der Durchgang zur Küche begann.
Nur Sukos Schritte durchbrachen die Stille, als er den Gastraum betrat.
Im ersten Augenblick schien sich nichts verändert zu haben, bis der Inspektor genauer hinschaute.
Kamikaze saß an dem runden Tisch in der Mitte, und er hatte sich eine Geisel geholt.
Das junge Mädchen bediente normalerweise die Gäste. Jetzt hockte es auf dem Schoß des Killers und bekam den Mund nicht mehr zu, weil Kamikaze ihr die Mündung seines Revolvers zwischen die Zähne gesteckt hatte.
»Ich will nur eins«, sagte er, »den Würfel!«
***
Es war mir ein inneres Bedürfnis gewesen, dem anderen zu beweisen, daß wir auch noch da waren und überhaupt nicht daran dachten, aufzugeben. Vielleicht war meine Reaktion falsch, doch durch die letzten Erfolge, fühlte ich mich irgendwie beschwingt und hatte meine Bedenken kurzerhand über Bord geworfen.
Und ich schritt auf das Feuer zu, während der Russe zurückblieb.
Er traute sich nicht, aber er vertraute mir.
Am Rand des Sechsecks blieb ich stehen. Genau in dem Augenblick, als der Tscheche, der sich als Nachfolger des Rabbi Loew fühlte, die Arme sinken ließ.
Homunkulus ließ er nicht los. Und das Menschlein, das das Böse in sich vereinigte, sah noch genau so aus wie in der Gegenwart. Es gab überhaupt keinen Unterschied. Für mich ein Beweis, daß es sich um einund dieselbe Person handelte.
Meine Worte hatten Kopanek aus seiner unnatürlichen Verzückung gerissen. »Ihr habt es geschafft?« fragte er lauernd.
»Wie du siehst.«
»Trotz des Schnitters?«
»Du meinst das Skelett?«
»Natürlich. Es war der Friedhof des Schnitters, auf dem ihr gelandet seid und der euch zum Verhängnis hatte werden sollen. Aber ihr seid jetzt hier.«
»Was dir nicht paßt, Kopanek. Überlege mal, der Schnitter konnte uns nicht aufhalten, du wirst es auch nicht schaffen, denn wir sind einfach stärker.«
»Nein, nicht ihr. Wir befanden uns in einer magischen Zeitzone, während man versuchte, Leben zu erschaffen. Sie war alles beherrschend. Hier wurde das künstliche Leben geboren…«
»Es wurde auch getötet«, erklärte ich. »Nicht umsonst hat der Schnitter fürchterlich gewütet.«
»Er gehörte nicht dazu. Es kam während unserer Reise zu magischen Überschneidungen. Dieser Friedhof ist der Teil eines anderen Reiches gewesen. Ich sagte dir doch, daß die Magie in dieser Zeit ungeheuer stark und konzentriert ist. Dagegen könnt ihr nicht an.«
»Was hatte der unheimliche Friedhof zu bedeuten, wo die Menschenköpfe auf den Halmen wachsen?«
»Es sind die Opfer!« rief der Tscheche. »Die Opfer aus allen Zeiten und vielen Epochen. Der Teufel hat sie gesammelt und zu einem Feld vereint. Wenn er den Schnitter schickte und dieser blutige Ernte hielt, rann das Leben aus den Gestalten, und es mußte einfach aufgefangen werden. Das ist geschehen. Dieses Leben, das die anderen verloren, wurde von Homunkulus aufgesaugt und gab ihm die starken Kräfte. Ich gebe zu, daß der Schnitter nicht mehr dazu gekommen ist, das gesamte Feld zu leeren, so ist die Kraft des Homunkulus leider begrenzt geblieben, was ich nicht vorhatte, denn ich wollte sie ganz holen. Aber auch so reicht sie aus, um das Böse in die Welt zu pflanzen.«
»Dann war deine Reise umsonst?« stellte ich fest.
»Nicht ganz, denn ich konnte
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