0383 - Londons Gruselkammer Nr. 1
täuschte, mußten das Schritte gewesen sein.
Kehrte ihr Mann zurück?
So recht konnte sie daran nicht glauben, denn Heinz ging anders.
Er hatte keinen Grund, seine Füße schleichend und vorsichtig zu setzen. Das mußte ein anderer sein.
Aber wer?
Vielleicht der Mann von der Kasse, denn die Gerbers waren – und das wußten sie –, die letzten Besucher gewesen. Nach ihnen war niemand mehr angekommen, und die vor ihnen hatten sich schon verabschiedet.
Über die Köpfe ihrer beiden Kinder hinweg schaute die Frau tiefer in den Gang hinein, wo ein Stück entfernt aus einer Nische ein blasses Licht hervorstrahlte.
Durch diesen Schein bewegte sich ein Schatten.
Und das war nicht Heinz!
Uta Gerber wartete gespannt. Sie bekam leichte Beklemmungen, riß sich aber zusammen, da sie vor ihren Kindern die Angst nicht unbedingt zeigen wollte.
Der Mann kam näher. Es war auch nicht der Kassenwart, ein Fremder ging auf sie zu.
Uta spannte sich. Ihr Gesicht wurde hart. Sie preßte die Lippen zusammen und änderte diesen Ausdruck auch nicht, als der Mann nur zwei Schritte von ihr entfernt stehenblieb.
Sie kannte ihn nicht. Er war kleiner als sie, dunkel gekleidet, sein Gesicht wirkte grau, und obwohl er ihr noch nichts getan und sie nicht einmal angesprochen hatte, spürte sie so etwas wie Furcht vor dieser Person.
Er kam ihr nicht ganz geheuer vor.
Sie wußte selbst nicht, was sie dazu sagen sollte, irgendwie machte er einen unheimlichen Eindruck, als wollte er sich dieser gesamten Atmosphäre anpassen.
Auch die Kinder hatten bemerkt, daß jemand gekommen war. Sie schauten ihn an, sagten aber nichts, sondern standen da und klammerten sich bei ihrer Mutter fest. Instinktiv spürten sie, daß der Fremde Böses im Schilde führte.
Er grinste. Dabei ließ er seine Blicke über Mutter und Kinder gleiten. »Sieh an«, sagte er plötzlich. »Noch Besucher?«
Seine Stimme hatte höhnisch geklungen, als wollte er bereits maßnehmen, um irgend etwas zu tun. Uta Gerber ignorierte ihre stärker werdende Furcht und sagte: »Ja, wir sind die letzten, und wir wollten die Räume hier eigentlich jetzt verlassen.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Er schaute die Frau so ungewöhnlich gierig an, daß Uta noch mehr Angst bekam und sehr schnell einen für sie beruhigenden Satz hinzufügte.
»Mein Mann ist gleich da. Er bringt uns dann hinaus.«
»Sind Sie sicher?«
Uta war irritiert. Sie schüttelte den Kopf, und Jörg fragte: »Wieso? Kommt Papa nicht?«
Frau Gerber ging darauf nicht ein. Statt dessen wandte sie sich wieder an den Fremden. »Was haben Sie eben damit gemeint, ob ich sicher wäre?«
Der andere lachte und streckte einen Arm aus. Sein Ärmel rutschte dabei zurück. Aus der Öffnung schaute die Hand wie eine bleiche Geierkralle. »Sehen Sie sich hier um! Das ist der nackte Horror, und für Menschen ist er manchmal tödlich.«
Jetzt wurde Uta Gerber ärgerlich. »Reden Sie doch nicht so im Beisein der Kinder.«
»Können die beiden die Wahrheit nicht vertragen?« höhnte er.
»Ich will Ihnen sagen, was Sie können. Verschwinden, Mister! Bitte, hauen Sie ab!« Uta sprach ein gutes Englisch, da sie früher einmal Lehrerin gewesen war.
Der Mann lachte. »Was sind Sie verbohrt! Sie wissen gar nicht, in was Sie hier hineingeraten sind?«
»Ich brauche mich nur umzuschauen.«
»Das ist Kulisse«, erklärte der Mann. »Nur Kulisse. Was meinen Sie, was man aus ihr alles machen kann? Ich werde dafür sorgen, daß das Grauen lebendig wird. Man spricht immer davon, hier etwas fast Echtes erleben zu können. Nun, all die Henker und Folterknechte werden sich freuen, in Ihnen und Ihren Kindern neue Opfer zu bekommen. Sie haben vorhin Ihren Mann erwähnt, den können Sie vergessen. Er befindet sich bereits in meiner Gewalt. Sie wissen es nur noch nicht.«
Eine Sekunde später wußten es die Frau und ihre Kinder. Denn ein schauriger Schrei hallte durch das unheimliche Verlies.
»Das war Papa!« rief Edda entsetzt, bevor sie ihre Hand auf den Mund preßte…
***
Heinz Gerber hatte das Gefühl, einen Alptraum zu erleben, als sich der Mann mit dem Verband am rechten Arm plötzlich bewegte und aus der Düsternis schälte.
Und sein Messer bewegte sich mit.
Er schob sich vor, drehte dabei auch den Kopf und zeigte Gerber sein Gesicht.
Es lebte!
Heinz sah deutlich das Zucken der Muskeln und der Adern unter der Haut. Auch die Lippen blieben nicht mehr so fest zusammengepreßt. Zwischen ihnen drangen im Flüsterton die ersten
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