039 - Der schwarze Abt
Hornbrille ab.
»Leslie? Sahst du auch ihren Bruder? Er ließ sich telefonisch bei mir für morgen vormittag anmelden. Ich soll einige Urkunden unterzeichnen. Wir wollen die beiden an einem der nächsten Tage zum Dinner einladen, Dick. Ich bin Arthur sehr verpflichtet. Netter Junge!«
»Sicher.« Dick stopfte seine Pfeife, und als er auf der mit Büchern und Papieren bedeckten Tischplatte nach der wappengeschmückten silbernen Streichholzschachtel suchte, entdeckte er das kleine Büchlein, das ständig in Harrys Reichweite lag - das Tagebuch jenes Grafen von Chelford, der als Rebell erhängt worden war. Langsam durchblätterte er die vergilbten Seiten mit den blassen Schriftzügen, wobei sein Bruder ihm mit triumphierender Miene zusah. - »›Diese Barren soll er, wenn die Trockenheit andauert, an den sicheren Platz schaffen ...‹ Ich möchte bloß wissen, was die Trockenheit mit dem Versteck zu schaffen hat! Klingt ja fast, als ob Regen den Plan unseres Ahnen durchkreuzt hätte.«
Harry lachte hektisch.
»Aha, jetzt hat es dich auch gepackt! Künftig wirst du ein ebenso eifriger Schatzsucher sein wie ich.« Mit glänzenden Augen beugte er sich über den Schreibtisch vor. »Soll ich dir sagen, wo das Gold versteckt wurde? Es ist nicht einfach vergraben worden, es muß in einem Hohlraum in irgendeinem unterirdischen Gewölbe liegen. Das Tagebuch erwähnt an drei Stellen ein Chesil, das ist ein Brecheisen.« Er nahm Dick das Büchlein aus der Hand und wendete aufgeregt die Seiten um. »Hier: ›Heute brachte mir Tom Goodman den Chesil von Brightelstone‹, und weiter unten: ›Der Chesil liegt jetzt in der Nähe des Verstecks.‹«
»Das muß ein ganz besonderes Brecheisen gewesen sein!« schmunzelte Dick. »Steht nichts da über seine Länge oder sein Gewicht?«
»Leider nein. Aber hör zu - hier ...«
Es klopfte leise, Thomas trat ein.
»Soll ich Ihren Kaffee hier servieren, Sir?«
»Nein, in meinem Zimmer.«
»Willst du denn noch arbeiten?« fragte Harry.
Dick kehrte in sein kleines Arbeitszimmer zurück, wo ihn außer dem Kaffee eine Menge administrative Arbeit erwartete. Briefe mußten beantwortet, Kontobücher durchgesehen, Rechnungsbelege und Berichte der Pächter kontrolliert werden. Erst gegen drei Uhr morgens stand er steifbeinig auf, reckte sich und ging, die ebenerdige Fenstertür aufstoßend, hinaus auf den Rasen.
Die Luft war frisch und rein, er holte tief Atem, bevor er seine Pfeife anzündete. Zu Bett gehen? Während er noch unschlüssig dastand, sah er sekundenlang in der Ferne ein Licht - ein weißes Flackern, das aufsprühte und sofort wieder verlosch.
»Wenn das nicht eine Taschenlampe war ...« murmelte er, eilte ins Zimmer zurück, griff mit der einen Hand nach der Flinte und steckte sich mit der andern einige Patronen in die Rocktasche.
In letzter Zeit hatten sich Wilddiebe unangenehm bemerkbar gemacht, Kerle, die kurzerhand losschossen, wenn sie gestört wurden. Alford war allerdings kein prinzipieller Feind von Wilderern. Über seine Ansicht, das › Schießen für den Kochtopf‹ sei verzeihlich, hatte sich schon der grauköpfige Grafschaftsrichter entsetzt.
Die Bäume und Büsche der Parkanlagen verdeckten die Aussicht, und erst ein fünfminütiger Dauerlauf brachte ihn an eine Stelle, die einen freien Ausblick bot. Wohl eine Viertelstunde stand er regungslos hinter einem Strauch und wollte schon umkehren, als es von neuem aufzuckte. Seltsam, es kam von der Abtei, also kein Wilddieb - der würde sich nicht dort herumtreiben, wo es nichts gab außer wilden Kaninchen und den Forellen im Ravensrill.
Behutsam legte Dick das Stück Weg zurück, bald konnte er die Umrisse der Ruinen erkennen. Im Osten kroch eine Ahnung von Dämmerung am Horizont hoch, ein kühler Morgenwind erhob sich. Auf dem Hügelkamm machte Dick halt und spähte.
Wieder blitzte das Licht auf und zeichnete den Schatten eines Mannes ab, der den Boden absuchte.
»Etwas verloren?« fragte Alford.
Der nächtliche Besucher schoß mit einem Aufschrei herum.
»Wer sind Sie?«
Dick erkannte die heisere Stimme sofort. Es war Arthur Gine.
»Ich - ich konnte nicht schlafen«, stotterte er.
»Suchten Sie hier vielleicht nach einem Schlafmittel?« erkundigte sich Dick. »Sie hätten doch zu uns ins Haus kommen können, mein Bruder verfügt über einen ganzen Drogenladen und würde Ihnen gern geholfen haben.«
»Lassen Sie diese Witze! Da ich nicht schlafen konnte, machte ich einen Spaziergang, und zwar hierher, weil
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