039 - Der schwarze Abt
gewichtiger Himmel wölbte.
»Schlafen Sie doch einfach in meinem Bett, es ist breit genug für uns beide.«
Dankbar wurde Leslies Anerbieten angenommen.
38
Unten in der Bibliothek unterhielt sich Dick Alford mit Puttler. Der Sergeant war kurz vorher von einem Abstecher nach Scotland Yard zurückgekehrt, und Dick berichtete ihm über seine Feststellungen.
»Die Hauptleitung ist unmittelbar vor der Kraftstation durchschnitten worden.«
Puttler rieb sich die komische kleine Nase, seine blauen Augen zwinkerten unruhig.
»Um einen richtigen Wachdienst zu unterhalten, brauchten wir ein ganzes Bataillon. Von meinen eigenen drei Leuten habe ich einen im Ostflügel, einen im Westflügel und den dritten in der Halle stationiert. Uns beiden und der Ortspolizei bleibt der ganze Park ... Was ist das übrigens für ein Damm, den ich heute morgen an der nordöstlichen Gutsecke entdeckte? Ihr Jagdaufseher erzählte mir, daß er den Namen ›Chelfords Gier‹ trägt. Wie kommt er zu dieser Bezeichnung?«
Dick stand der Sinn zwar nicht nach historischen Reminiszenzen, aber um Puttler gefällig zu sein, erklärte er ihm ausführlich den Zusammenhang.
»Die Urkunde, durch die uns König Heinrich diese Ländereien zu eigen gab, setzte als nördliche Grenze den Lauf des Ravensrill fest. Ein ganz gerissener Vorfahr, dem der vorhandene Besitz nicht genügte, kam eines Tages auf den Einfall, den Fluß abzuleiten und das Gut auf diese Weise um tausend Morgen zu vergrößern. ›Chelfords Gier‹ ist der Damm, den er baute, während der natürliche Lauf des Ravensrill durch die Lange Wiese geht. Welcher Chelford diesen Raub auf dem Gewissen hat, kann ich Ihnen nicht sagen; da nichts Geschriebenes existiert, die Kunde darüber hat sich lediglich mündlich überliefert.«
»So, das also ist die Erklärung.«
Beide versanken in Schweigen und hingen ihren Gedanken nach. Als Dicks Blick zufällig auf das große Porträt an der Kaminwand fiel, murmelte er:
»Lady, Lady - einen Haufen Unruhe haben Sie schon gestiftet!«
»Wieso?« fragte Puttler sofort interessiert.
»Ich werde es Ihnen nächstens einmal erzählen. Jetzt will ich nach den Mädchen oben sehen.«
Geräuschlos stieg er die Treppe hinauf. Kurz bevor er vor die Fremdenzimmer kam, zuckte der Strahl einer Taschenlampe über sein Gesicht.
»Alles ruhig!« flüsterte der wachestehende Polizist, und Dick stieg beruhigt wieder hinunter.
Er und Puttler hatten abgemacht, daß sie abwechselnd um den Gebäudekomplex patrouillieren wollten. Um zwei Uhr wurde Dick durch sanftes Schütteln aus tiefem Schlaf geweckt.
»Hier, ich habe Ihnen eine Tasse gewärmt!« Puttler brachte ihm Kaffee ans Sofa. »Sonst gibt's nichts Neues. Einer der Ortspolizisten im Park schlug einmal Alarm, er glaubte eine Gestalt gesehen zu haben - nun ja, diese Leute aus der Gegend sind nervös und wittern hinter jedem Strauch, den der Wind bewegt, den Schwarzen Abt.«
Dick schlürfte den Kaffee und zerbröckelte mit der freien Hand ein Biskuit.
»Ich muß den blauen Umschlag mit den Papieren, die Sie mir mitgebracht haben, in den Safe schließen. Er liegt noch in der Bibliothek.«
Er durchquerte die Halle, öffnete die Tür zur Bibliothek und griff mechanisch nach dem Lichtschalter. Erst dann erinnerte er sich, daß die kleine Kraftstation ja ihre Funktion eingestellt hatte. Ah, die Taschenlampe lag im Büro -er holte sie, kam zurück, auf dem Schreibtisch lag der blaue Umschlag, er schob ihn in die Tasche. Als er die Bibliothek wieder verlassen wollte, spürte er einen kalten Luftzug. Prüfend leuchtete er die Fensterreihe ab. Das letzte Fenster war offen, der Vorhang heruntergerissen.
»Wie ist das möglich?« staunte Puttler, den Dick herbeigerufen hatte. »Bei meiner letzten Runde vor zehn Minuten war das Fenster verschlossen.«
Wie sich der Eindringling Zutritt verschafft hatte, zeigte die in Höhe des Fensterriegels eingeschlagene Scheibe.
Der Stofffetzen auf dem Parkett und die zerbrochene Vorhangstange ließen vermuten, daß der Unbekannte gestrauchelt war und am Vorhang Halt gesucht hatte.
Der Schreibtisch war unberührt. Puttler ging den Bücherregalen entlang.
»Was sucht die hier?« Er zeigte auf eine kleine Leiter.
»Sie gehört zur Einrichtung der Bibliothek, damit die oberen Buchreihen erreicht werden können. Sonst steht sie immer dort hinten in der Ecke.«
Dick suchte den ganzen Raum mit der Lampe ab. Als er auf die ausgesparte Wand zwischen den Regalen über dem Kamin stieß, an
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