039 - Der schwarze Abt
spürte, daß er etwas vor ihr verbergen wollte.
Die beiden Mädchen saßen sich auch beim Dinner allein gegenüber. Der alte Butler ließ sich in ein Gespräch mit ihnen ein und äußerte sein Erstaunen über die Großzügigkeit, mit der Mr. Alford die Polizisten behandelte.
»Eben mußte ich einen Korb fertigmachen lassen mit allem, was das Herz begehrt - kaltes Huhn, Thermosflaschen, alter Portwein. Meiner Meinung nach hätten Käsestullen und Bier auch genügt - die Leute werden bloß verwöhnt, und hernach schmeckt ihnen zu Hause nichts mehr. Und heute abend will er ihnen die Sachen auch noch eigenhändig in den Park tragen!«
Leslies Herz begann heftig zu pochen. Jetzt verstand sie!
Nicht für die Polizisten waren die Lebensmittel bestimmt, sondern für Harry. - Für Harry, der in der Abtei gefangengehalten wurde. Von wem?
36
Der Schrecken dieses Tages waren die Londoner Reporter gewesen. Sie hatten den Dorfkrug ›Zum roten Löwen‹ gänzlich mit Beschlag belegt, und ständig befanden sich einige auf dem Weg zum Schloß, um Mr. Alford zu interviewen. Nur einem jedoch gelang es, seiner in der Nähe der Red Farm habhaft zu werden.
»Sind Sie der Meinung, daß das Verschwinden Ihres Bruders auf den Schwarzen Abt zurückzuführen ist, Mr. Alford?«
»Was heißt das - der Schwarze Abt? Da Sie ja wohl kaum an Gespenster glauben, brauche ich Ihnen auch nicht zu versichern, daß es so etwas wie den Schwarzen Abt nicht gibt, daß also die Gestalt, die dann und wann hier auftauchte, nur ein Mensch aus Fleisch und Blut sein konnte.«
»Narrenpossen also?« erkundigte sich der Zeitungsmann.
»Das wohl auch wieder nicht. Ich glaube schon, daß etwas Ernstzunehmendes dahintersteckt.«
»Entschuldigen Sie, Mr. Alford, wenn ich jetzt ein einigermaßen heikles Thema anschneide. Im Falle des Todes Ihres Bruders fällt der Titel, und natürlich auch der Besitz, an Sie. Nun ist gegenwärtig viel die Rede von einem Gegensatz zwischen Ihnen beiden, der häufig in offenen Streit ausartete.«
»Mein Bruder ist sehr nervös«, antwortete Dick, nur mit Mühe die aufsteigende Wut bezwingend, »und die Differenzen, die wir gelegentlich hatten, waren stets harmloser Art.«
»Stimmt es, daß Miss Leslie Gine ihre Verlobung mit Ihrem Bruder kürzlich gelöst hat?«
»Ja.«
»Und dennoch weilt sie als Gast in Fossaway?« Der Reporter, der die Blutwelle, die Dick zu Kopf stieg, bemerkte, beeilte sich zu versichern: »Mr. Alford, vergessen Sie bitte nicht, daß es mir nur darum geht, dem Klatsch entgegenzutreten.«
»Sehr freundlich von Ihnen!« Dick lächelte ironisch. »Aber bitte, machen Sie von dem, was ich Ihnen jetzt sage, ruhig Gebrauch. Schwerwiegende Tatsachen haben mich davon überzeugt, daß sich Miss Gine in großer Gefahr befindet. Aus diesem Grund, und nur aus diesem, habe ich sie gebeten, nach Fossaway zu kommen, wo sie unter dem Schutz der Polizei steht. Sie werden das um so eher verstehen, wenn Sie außerdem wissen, daß sich Mr. Gine, ihr Bruder, gegenwärtig im Ausland befindet.«
»Glauben Sie, daß Miss Gine von der gleichen Person bedroht wird, die Thomas Glück ermordete und den Grafen verschleppte?«
»Ja.«
»Ich danke Ihnen, Mr. Alford.« Der Reporter verbeugte sich. »Sie werden sehen, daß diese kleine Unterhaltung die Luft gereinigt hat, was in solchen Fällen für alle von Vorteil ist.«
»Hoffen wir es.«
Gegen Abend traf Dick in seinem Büro Leslie an, die gerade ein Kuvert mit der Adresse Fabrian Gilders versah.
»Was haben Sie ihm geschrieben?«fragte er.
»Ich habe ihm mitgeteilt, daß ich nach reiflicher Überlegung mich entschlossen habe, seine Bewerbung auszuschlagen .«
Dick klebte eigenhändig die Marke auf.
»Daß dieser Brief ihn erreicht, dafür will ich diesmal selbst sorgen! Und Ihnen empfehle ich, nach all den Aufregungen, zeitig zu Bett zu gehen.«
»Und Sie? Mr. Glover erzählte, daß Sie vorhaben, heute abend noch die Posten im Park aufzusuchen, um sie mit Leckerbissen zu versorgen.«
Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht.
»Ja, sicher. Die Leute, die den Hohlweg bewachen, können ihre Stellungen nicht verlassen, da es an Ablösungsmannschaft fehlt.«
Leslie drang nicht weiter in ihn. Sie ging zu Mary Wenner, die in der Bibliothek auf sie wartete und die sich seit Einbruch der Dunkelheit in ein Nervenbündel verwandelt hatte. Bei jedem Geräusch zuckte sie zusammen, erblaßte, sobald sich eine Tür öffnete. Beim Dinner stieß sie einen lauten Schrei aus, als
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