0391 - Susans Knochenmann
schließlich nur geholfen. Er arbeitet nicht gegen uns. Er ist jetzt einer von uns.«
Gryf verzog das Gesicht. »Auf die Gefahr hin, durch meine ständigen Wiederholungen langweilig zu werden: Teufel bleibt Teufel! Eines Tages präsentiert er uns die Rechnung für deine Vertrauensseligkeit. Dann nimmt er die Maske ab. Denke daran, daß er schon immer ein Meister der Intrige war.«
»Merlin ist nicht zu täuschen…«
»Klar«, fauchte Gryf. »Merlin ist unfehlbar. Merlin irrt sich nie. Merlin ist der große Alleskönner und Supermann. Deshalb hat die Zeitlose ihn auch in den Kälteschlaf zwingen können, nicht wahr?«
Nicole schaltete sich in den Streit ein: »Sind wir eigentlich hierher, in diese neblige Kälte, gekommen, um Wurzeln zu schlagen, während wir uns streiten, oder um einer Frau zu helfen, einen Geist loszuwerden?«
»Letzteres«, knurrten Zamorra und Gryf gleichzeitig. Der Parapsychologe ließ sich hinter dem Lenkrad des Wagens nieder; Nicole besetzte den Beifahrersitz auf der linken Seite und Gryf verkrümelte sich auf die Rückbank. Zamorra startete und fuhr los.
Rund 180 Autobahnkilometer lagen vor ihnen. Zamorra hatte nicht vor, durch Geschwindigkeitsüberschreitungen unangenehm aufzufallen. Vorsichtshalber kalkulierte er also mit zwei Stunden Fahrt.
Wenn sie Bristol erreichten, war es wahrscheinlich schon dunkel.
***
Im Nichts öffnete sich eine Tür. Sid Amos verengte die Augen zu schmalen, katzenhaften Spalten. Er versuchte, ins Innerste des Eintretenden zu blicken, aber es gelang ihm nicht. Etwas schirmte den Fremden gegen den durchdringenden Röntgenblick des früheren Höllenherrschers ab. Trotzdem konnte Amos keine magische Aura entdecken. Es war, als handele es sich um einen ganz normalen Menschen.
»Wer bist du?« fragte Amos.
Der andere antwortete nicht. Stumm sah er Amos an. In seinen Augen lag ein triumphierendes Leuchten. Amos sah in der Düsternis vor sich, nur kaum erhellt vom Licht hinter der Tür, die Umrisse eines anscheinend jungen Mannes. Einzelheiten konnte er im Gegenlicht nicht erkennen. Nur diese zufrieden leuchtenden Augen…
Amos rief Erinnerungsbilder ab. Er versuchte zu erkennen, wo er die Umrisse dieser Person schon einmal gesehen haben konnte. Aber da war nichts. Sid Amos hatte im Laufe von vielen Jahrhunderten und Jahrtausenden unzählige Menschen und Dämonen gesehen und erlebt. Aber da dieser hier keine magische Aura besaß und demzufolge ein Mensch, ein Sterblicher war, brauchte Amos allenfalls die letzten zwanzig Jahre seiner Erinnerung zu erforschen. Auch da war noch eine unglaubliche Menge an Menschen gespeichert, die er jetzt blitzschnell vor seinem geistigen Auge Revue passieren ließ.
Nichts…
Niemand…
Dabei mußte jemand, der es geschafft hatte, Amos eine Falle zu stellen, aus der dieser aus eigener Kraft so leicht nicht entweichen konnte, eine Menge von Dämonen und auch von Magie verstehen. Er mußte Amos kennen! Denn sonst hätte er die Falle nicht so auf dessen Kräfte einstimmen können, daß Amos nicht in der Lage war, etwas zu unternehmen und sich zu befreien! Jede Magie, die Amos einsetzte, wurde sofort abgesaugt!
Wer Amos aber kannte, der wußte auch, daß der ehemalige Fürst der Finsternis längst nicht mehr auf Seiten der Hölle kämpfte. Bedeutete das, daß es sich um einen Menschen handelte, der dem Bösen diente?
Spekulationen…
Und keine Erinnerung an diesen relativ jungen Mann, der immer noch schweigend dastand und Amos ansah.
Warum sagt er nichts? fragte sich Amos. Was soll das? Glaubt er, mir mit seinem Schweigen und Anstarren beeindrucken zu können?
Es mußte so sein.
Nach einer endlos erscheinenden Zeitspanne, in der der andere starr dagestanden hatte und außer dem Lidreflex und leichten Atembewegungen kein Glied rührte, wandte er sich plötzlich abrupt um.
In diesem Moment versuchte Sid Amos es.
Er spielte seinen Trumpf aus, an den der andere bestimmt nicht hatte denken können. Denn es gab nur sehr, sehr wenige lebende Wesen im Universum, die davon wußten.
Die rechte Hand des Ex-Teufels raste durch die Luft und traf den Nacken des Fremden…
***
Zamorra hatte eine Weile mit dem Gedanken gespielt, sich den Weg zu Susan Boyds Haus von jemandem aus der Redaktion beschreiben zu lassen. Dort mußte man ja schließlich nicht nur Susans Telefonnummer, sondern auch ihre Adresse kennen. Aber er war sicher, daß die Auskunftsfreudigkeit der Leute dort enden würde. Sie konnten nicht dazu verpflichtet werden,
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