0391 - Susans Knochenmann
nicht«, widersprach er. »Unter Freunden kann man sich auch schon mal die Wahrheit sagen, denke ich. Er wird’s verstehen. Gut, ich habe vielleicht einen Fehler gemacht. Aber Gryf hat auch schon eine Menge Mist gebaut im Laufe seiner über achttausend Lebensjahre. Daran wird er sich erinnern. Ich bin sicher, daß er jetzt in Caermardhin ist.«
»Hoffen wirs Beste«, sagte Nicole wenig überzeugt. »Ich an seiner Stelle hätte mir deine Worte in dieser Form jedenfalls nicht bieten lassen…«
Zamorra lächelte und zuckte mit den Schultern.
»Ich bin froh, daß du nicht an seiner Stelle bist«, sagte er.
***
Der Fremde zuckte entsetzt zusammen, als ihn die Hand im Nacken traf und mit einem heftigen Ruck zurückriß. Er strauchelte und kam zu Fall, mußte sich mit den Händen abstützen. Die Hand ließ los, verschwand und war im nächsten Augenblick, zur Faust geballt, schon wieder da. Sie schlug zu, mehrmals hintereinander. Der Fremde versuchte die Schläge abzuwehren, was ihm aber nicht gelang - die Faust materialisierte einfach aus dem Nichts vor ihm und löste sich wieder auf. Er sprang auf, wich zurück - und sah dabei Sid Amos’ Armstumpf, dem die Hand fehlte.
Seine Augen weiteten sich.
Die Hand packte abermals zu, riß ihn jetzt auf den im magischen Netz gefesselten Amos zu.
Aber dann löste sich der Fremde einfach unter dem Griff auf. Die Hand hielt nur noch Luft umschlossen. Der junge Unbekannte war fort, wie weggezaubert, als hätte es ihn niemals gegeben.
Die Hand verband sich wieder mit dem Gelenk.
Sid Amos war ratlos. Das Geheimnis, das den Gegner umgab, war noch größer geworden. Wie hatte der aus dem festen Griff verschwinden können? Hätte er sich per Teleportation oder mittels des zeitlosen Sprunges, wie die Silbermond-Druiden es nannten, in Sicherheit gebracht, so hätte er die Hand unweigerlich mit sich gerissen, und möglicherweise wäre sie auf diese Weise sogar für Amos verloren gewesen; ein Risiko, dessen er sich hier und heute zum ersten Mal bewußt wurde.
Aber der Fremde war einfach aus dem festen Griff verschwunden wie eine Halluzination.
Sid Amos hielt das einfach für unmöglich. Er hatte etwas erlebt, das nicht sein konnte!
Es sei denn, der Fremde wäre nur eine Projektion gewesen. Aber Amos hatte deutlich gespürt, daß er körperlich war, daß er aus fester Substanz bestand. Das war nicht nur ein Trugbild. Der junge Mann war echt gewesen, persönlich in diesem Nichts vorhanden, das Amos’ Gefängnis darstellte.
Langsam schloß sich jetzt, wie von Geisterhand bewegt, die Tür im Nichts wieder. Es wurde düster.
In der Dunkelheit starrte Amos seine rechte Hand an. Aus seinen Augen schimmerte rotes Feuer, hell genug, um wenigstens in unmittelbarster Nähe etwas erkennen zu können.
Vor geraumer Zeit, als er noch Asmodis war, hatte er in den Felsen von Ash’Naduur gegen Professor Zamorra gekämpft. Er hatte ihn bereits besiegt und war dabei, ihn zu töten, als Nicole Duval Asmodis mit dem Zauberschwert Gwaiyur die würgende rechte Hand abschlug. Das war Zamorras Rettung gewesen.
Später dann hatte der Schwarzzauberer Amun-Re, der aus der Zeit des fernen Atlantis stammte, Asmodis eine neue, künstliche Hand angefertigt. Sie war in nichts vom einstigen Original zu unterscheiden; Asmodis konnte damit greifen und fühlen wie einst. Aber diese künstliche Hand barg noch eine Besonderheit in sich: Er konnte sie willentlich vom Gelenk trennen und einen Gedanken weit schleudern , um sie dort für sich agieren zu lassen, als sei er selbst an dieser Stelle! [1]
Und genau das hatte Sid Amos jetzt getan. Hierbei konnte ihm keine Magie entzogen werden, weil er sie nicht einsetzte. Es war lediglich eine Sache seines Willens und seiner Konzentration. In der künstlichen Hand wirkte nach wie vor der fremdartige Zauber Amun-Res, des Herrschers des Krakenthrones von Atlantis. Längst war Amun-Re im Eis der Antarktis gefangen und vorerst nicht mehr gefährlich, aber der Zauber, den er in die Hand gelegt hatte, existierte immer noch. Sid Amos kam dies oftmals sehr gut zustatten.
Diesmal allerdings hatte er sich davon mehr erhofft. Er hatte, weil seine Hand eben unabhängig von der magischen Fessel agieren konnte, erwartet, den Fremden zwingen zu können. Aber das war nicht der Fall gewesen. Der war einfach verschwunden…
Amos verstand das nicht.
Er kannte niemanden, der dazu in der Lage war - glaubte er.
Auf die Identität seines wirklichen Gegners kam er nicht. Denn er konnte sich
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