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0391 - Susans Knochenmann

0391 - Susans Knochenmann

Titel: 0391 - Susans Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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war, als habe sie sich tatsächlich geirrt, als sei es nur eine Täuschung ihrer überreizten Nerven gewesen.
    Allerdings hielt sie sich derzeit auch nur noch in ihrem Schlafzimmer auf, wenn es absolut unumgänglich war. Sie verbrachte die beiden folgenden Nächte bei Mark Cramer. Dort fühlte sie sich sicherer. Sie konnte seine Zärtlichkeiten einfach nicht genießen, wenn sie jederzeit damit rechnen mußte, daß der Unsichtbare wieder erschien. Sie hatte Angst, durch ihn gestört zu werden.
    Mark Cramer hatte wenig dagegen einzuwenden, daß die nächtlichen Aktivitäten sich in sein möbliertes Zimmer verlagerten. Er wußte zwar nichts von diesem ominösen Unsichtbaren, und aus gutem Grund hütete Susan sich, ihm davon zu erzählen, aber er war Susans Besuchen alles andere als abgeneigt, weil das eine Menge für ihn vereinfachte. Von seinem eigenen Zimmer aus hatte er es am frühen Morgen einfacher, zur Arbeit zu kommen, weil der Weg einfach kürzer war, und so blieb Susan und ihm etwas mehr Zeit. Und auch wenn das Zimmer weitaus kleiner und unkomfortabler war als Susans ererbtes Landhaus, fühlte er sich doch hier wohler - das Haus war ihm immer fremd gewesen, von Anfang an. Susan hatte es vor etwa einem Jahr geerbt und war sofort von zu Hause weg hierher gezogen; etwa so lange kannten die beiden sich auch schon.
    So kam Susan jetzt am Nachmittag, wenn auch Mark von der Arbeit zurückkehrte, zu ihm, und morgens fuhr sie zu ihrem Landhaus zurück. Dort konnte sie besser arbeiten. Sie schrieb Geschichten für die Kinderseite einer großen Zeitung und entwarf Rätsel. Damit verdiente sie genug, um einigermaßen leben zu können. Es war nicht viel, aber es reichte, hin und wieder ein wenig zurückzulegen und für größere Anschaffungen zu sparen. Sie konnte in ihrem Arbeitszimmer ruhiger und konzentrierter arbeiten als bei Mark, und sie brauchte vor allem nicht ihren halben Arbeitsplatz mitzunehmen -wenn Mark mehr als dieses eine Zimmerchen gehabt hätte, hätte sie es wahrscheinlich sogar getan.
    Dieses Gefühl, von dem Unsichtbaren beobachtet zu werden, hatte ihr Angst eingeflößt und diese Angst wurde sie nicht mehr los.
    Mark ging zur Treppenhaustür. Er mußte zur Arbeit. Er war Mechanikergeselle in einer Autowerkstatt. Er küßte Susan und öffnete die Tür. Sie würde erst in ein paar Minuten aufbrechen.
    Mark stutzte. Draußen im Treppenhaus stand Mrs. Ladbatter, seine Vermieterin. Und hinter ihm, in der Tür deutlich sichtbar, Susan Boyd in einem von Marks langen Hemden und mit sonst nichts am Leib. Besser hätte es gar nicht kommen können, dachte Mark verbiestert. Die alte Ladbatter hatte sich genau der Tür gegenüber aufgebaut! Sie mußte schon eine ganze Weile da gestanden und gelauert haben, denn Mark hatte keine Schritte auf der Treppe gehört.
    »Sie wissen ganz genau, daß Damenbesuch streng verboten ist, Gramer«, fauchte Mrs. Ladbatter. »Ich dulde das nicht. Schaffen Sie unverzüglich diese schamlose Person aus dem Haus. Das ist jetzt schon die zweite Nacht, die diese… diese… da in Ihrem Zimmer verbringt. Ich habe das genau beobachtet.«
    »Das muß eine abendfüllende Beschäftigung sein«, sagte Susan spitz. Sie wußte wohl, daß Damenbesuch über Nacht nicht gestattet war - Mrs. Ladbatter pflegte recht frühmittelalterliche Ansichten, wie Susan es nannte -, aber sie hatten beide gedacht, die streitbare Lady habe es nicht bemerkt. Sie waren still und heimlich ins Haus geschlichen, und Susan pflegte auch still und heimlich hinauszuschleichen. Daß Mrs. Ladbatter sie trotzdem bemerkt hatte, verblüffte sie, und auch Susan hatte nicht damit gerechnet, daß die Vermieterin bereits vor der Wohnungstür stehen würde.
    »Susan«, sagte Mark leise. »Bitte…«
    Er fragte sich, wie Mrs. Ladbatter Susans Anwesenheit bemerkt haben konnte. Sie hatten den Hintereingang benutzt, Susans kleiner Wagen stand drei Straßen weiter geparkt, und jedesmal war von Mrs. Ladbatter im Treppenhaus nichts zu sehen gewesen. Die Fenster ihrer Wohnung führten nur nach vorn, und im Haus selbst waren sie beide äußerst leise gewesen.
    Aber - erwischt.
    »Wenn das noch einmal vorkommt, können Sie sich nach einer anderen Wohnung umsehen, Cramer«, fauchte Mrs. Ladbatter spitz. »Und zwar unverzüglich. Dies ist meine erste und letzte Warnung.«
    Mark preßte die Lippen zusammen. Der alte Drache wußte genau, daß Mark sich kein anderes Zimmer oder keine andere Wohnung leisten konnte. Er verdiente nicht viel, und er

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